Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Vierter Band. (4)

50 G. Anschütz. 
ments am 3. April 1849 angetragene) Kaiserwürde ab und hat dadurch das Einheitswerk von 
Frankfurt zum Scheitemm gebracht. Die Nationalversammlung ging rasch ihrem Ende entgegen. 
Viele ihrer Mitglieder, insbesondere die von der gemäßigt-konstitutionellen Richtung, welche 
die Tragikomödie des souverän sein wollenden und doch so machtlosen Parlaments nicht weiter 
spielen mochten, legten ihr Mandat nieder; andere wurden von ihren Regierungen abgerufen. 
Die übrigbleibende radikale Linke siedelte als „Rumpfparlament" nach Stuttgart über, wo sie 
bald von der württembergischen Regierung aufgelöst wurde (Juni 1849). 
III. Der weitere Verlauf der deutschen Einheitsbestrebungen. — Sogleich nach der 
Ablehnung der Kaiserkrone durch Friedrich Wilhelm IV. offenbarte sich den Zeitgenossen mit 
schneidender Schärfe der Gegensatz zwischen den beiden deutschen Großstaaten in der deutschen 
Einheitsfrage. Preußen wollte die Einheit, wollte sie auch als Bundesstaat, wollte selbst, 
als Grundgesetz dieses Bundesstaates, die Frankfurter Verfassung, nach Anderung und Aus- 
merzung ihrer demokratischen und allzu unitarischen Partien — wollte sie nur nicht ohne oder 
gar gegen den Willen der deutschen Regierungen. Osterreich aber wollte nichts von alledem, 
wollte vielmehr, mit Zurückweisung jeder Reform der deutschen Verfassung, alles beim alten, 
d. h. bei den Verträgen von 1815 und 1820, lassen. Der Gegensatz trat sogleich hervor, als die 
preußische Regierung im April 1849 den Versuch machte, eine Vereinbarung mit den anderen 
Regierungen über die wünschenswerten Modifikationen der Frankfurter Verfassung zustande 
zu bringen. Auf die preußische Anregung gingen nur die Kleinstaaten und von den Mittel- 
staaten Württemberg ganz oder halb bereitwillig ein; Osterreich verhielt sich schroff ablehnend, 
mit der Erklärung, daß der Kaiser von Osterreich sich niemals einer deutschen Zentralgewalt 
unterwerfen werde, wohl aber sich alle Rechte aus den Grundverträgen des Deutschen Bundes 
vorbehalte, derart, daß der de jure niemals aufgelöste Bund und die Bundesversammlung unter 
dem Präsidium Esterreichs alsbald zu reaktivieren seien. 
Dieser österreichischen Auffassung kam Preußen insoweit entgegen, als es den Fortbestand 
des Deutschen Bundes (trotz des Ereignisses vom 12. Juli 1848, s. oben S. 48) zugab und seine 
deutsche Reformpolitik auf den Gedanken festlegte, einen Bundesstaat als engere „Union“ 
innerhalb des Deutschen Bundes zu gründen; dieser Union sollten die Staaten angehören, welche 
ihr freiwillig beitraten; die Verfassung der Union soll die von den Regierungen gemeinsam und 
unter Teilnahme einer parlamentarischen Versammlung umzuarbeitende Frankfurter Ver- 
fassung sein. Zur Durchführung dieser preußischen Unionspolitik erfolgte der Abschluß des 
„Dreikönigsbündnisses“ — Preußen, Sachsen, Hannover — vom 26. Mai 1849, dem eine Reihe 
von Kleinstaaten beitraten, von dem aber Sachsen und Hannover alsbald (ohne formellen Aus- 
tritt) sich wiederum zurückzogen. Andere Regierungen blieben dem Bündnis treu; mit ihnen 
vereinbarte Preußen den Entwurf der Unionsverfassung. 
Dieser ½ unterscheidet sich von dem sonst und im allgemeinen befolgten Vorbilde, der 
Frankfurter Verfassung, namentlich in folgendem: der Gedanke der monarchischen Spitze des 
deutschen Bundesstaates (welcher, solange die Mittelstaaten ihm feme bleiben, „Union“, nach 
deren Auschluß erst „Deutsches Reich“ heißen soll) ist aufgegeben. Die gesetzgebende, also oberste 
Gewalt dieses Bundesstaates wird ausgeübt durch das Fürstenkollegium — die Ver- 
tretung der Einzelregierungen, in welcher Preußen unter sechs, teils Viril-, teils Kurialstimmen, 
eine und den Vorsitz führt — und den Reichstag — Staatenhaus und Volkshaus wie nach 
der Frankfurter Verfassung, jedoch unter Ersetzung des allgemeinen Wahlrechts zum Volks- 
hause durch das preußische Dreiklassensystem (unten § 33 S. 143). Dem Fürstenkollegium steht 
gegen die Beschlüsse des Reichstages ein absolutes Veto zu. Die der Bundesgewalt beigelegte 
Exekutive, insbesondere im Bereiche der auswärtigen Politik und des Heerwesens, wird dem 
„Reichsvorstande übertragen, dessen Amt und Würde mit der Krone Preußen dauernd 
verbunden ist. 
Der Versuch, die Union ins Leben zu führen, ist im Frühjahr 1850 untemommen worden 
und schnell gescheitert. Zur Beratung der unter den Regierungen vereinbarten Verfassung 
wurde ein Parlament nach Erfurt berufen, welches in kurzer Tagung (Ende März bis Ende 
April 1850) die Vorlage unverändert annahm. Demungeachtet blieb die Unionsverfassung 
: Abdruck bei Binding a. a. O., Heft II S. 51 ff.
	        
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