86 G. Anschütz.
Wohnung oder eines Unterkommens, Fähigkeit des Antragstellers, sich und die Seinen zu
ernähren. Es sind dies Mindesterfordemisse, welche die zuständigen Behörden nicht hinderm,
im Einzelfalle noch weitergehende Anforderungen an den die Einbürgerung nachsuchenden
Ausländer zu stellen. Die Einbürgerung darf erst erfolgen, nachdem durch den Reichskanzler
festgestellt worden ist, daß kein Einzelstaat Bedenken dagegen erhoben hat; erhebt ein Staat
Bedenken, so entscheidet der Bundesrat. Die Bedenken können nur auf Tatsachen gesttützt
werden, welche die Besorgnis rechtfertigen, daß die Einbürgerung des Antragstellers das
Wohl des Reichs oder eines seiner Staaten gefährden würde (§ 9 Abs. 1; Ausnahmen von
der Regel des Abs. 1 s. im Abs. 2).
Der Grundsatz, daß kein Recht auf Einbürgerung besteht, erleidet mehrere Ausnahmen:
so zugunsten der Witwe oder geschiedenen Ehefrau eines Ausländers, die zur Zeit ihrer
Eheschließung eine Deutsche war (5 10), des ehemaligen Deutschen, der als Minderjähriger
die Reichsangehörigkeit durch Entlassung verloren hat (§ 11), des Ausländers, der mindestens
ein Jahr wie ein Deutscher im Heer oder der Marine gedient hat (5 12), des Ausländers,
der im Reichsdienst angestellt ist, seinen dienstlichen Wohnsitz im Auslande hat und ein Dienst-
einkommen aus der Reichskasse bezieht (§ 15); weitere Ausnahmen: §§ 26 Abs. 3, 30, 31,
32 Abk. 3.
Die von der Regierung oder der Zentral- oder höheren Verwaltungsbehörde eines
Einzelstaates vollzogene oder bestätigte Anstellung im unmittelbaren oder mittelbaren Staats-
dienst, im Dienste einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes, im öffentlichen Schul-
dienst oder im Dienst einer vom Staate anerkannten Religionsgesellschaft gilt für einen
Deutschen als Aufnahme, für einen Ausländer als Einbürgerung, sofern nicht in der An-
stellungs= oder Bestätigungsurkunde ein Vorbehalt gemacht wird (§ 14 Abs. 1). Ausländer,
welche im Reich sdienste angestellt werden, erhalten die Staatsangehörigkeit in dem Einzel-
staate, in dem sich ihr dienstlicher Wohnsitz befindet (§ 15 Abs. 1; wenn der dienstliche Wohnsitz
sich im Auslande befindet: vgl. Abs. 2 das.).
2. Erwerb der unmittelbaren Reichsangehörigkeit. — Die elsaß-lothringische Landes-
angehörigkeit, welche in Wahrheit unmittelbare Reichsangehörigkeit ist, behandelt das Gesetz
(ogl. 2 Abs. 1) ganz als Zugehörigkeit zu einem Einzelstaate. Im übrigen kann die un-
mittelbare Reichsangehörigkeit nur durch Verleihung erworben werden. Sie kann ver-
liehen werden 1. einem Ausländer, der sich in einem Schutzgebiete niedergelassen hat, oder
einem Eingeborenen in einem Schutzgebiete; 2. einem ehemaligen Deutschen, der sich nicht
im Inland niedergelassen hat; auch dem der von einem solchen abstammt oder an Kindes-
statt angenommen ist; 3. einem Ausländer, der im Reichsdienst angestellt ist und seinen
dienstlichen Wohnsitz im Ausland hat. Bezieht im letzteren Falle der Betreffende ein Dienst-
einkommen aus der Reichskasse, so muß ihm auf seinen Antrag die unmittelbare Reichs-
angehörigkeit verliehen werden. Zuständig zur Verleihung ist in allen Fällen der Reichskanzler
oder die von ihm bezeichnete Behörde (§s 33—35).
II. Verlust. — Die Staatsangehörigkeit geht nach dem Gesetze verloren: 1. durch
Entlassung (§§ 18—24), d. h. Entlassung auf Antrag. Der Antrag ist, wie bei der Ver-
leihung loben S. 85) Vorbedingung der Zulässigkeit und Gültigkeit des Aktes. Der Entlassungsakt
selbst ist ein ein seitiger Verwaltungsakt wie die Verleihung. Die Entlassung aus der
Staatsangehörigkeit in einem Einzelstaat bewirkt gleichzeitig die Entlassung aus der Staats-
angehörigkeit in jedem andern Einzelstaate, soweit sich der Entlassene nicht die Staats-
angehörigkeit in einem andern Einzelstaate durch eine Erklärung gegenüber der zuständigen
Behörde des entlassenden Staates vorbehält. Dieser Vorbehalt muß in der Entlassungs-
urkunde vermerkt werden (§ 20). Erfolgt ein solcher Vorbehalt, so muß die Entlassung und
zwar gebührenfrei erteilt werden (§8 21, 38 Abs. 2). Erfolgt er nicht, wird mit anderen
Worten die Entlassung nicht nur aus einer, sondern aus jeder Staats- und damit aus
der Reichsangehörigkeit beantragt, so ist der Anspruch auf Entlassung erheblich enger begrenzt
und zwar mit Rücksicht auf die militärische Wehr- und Dienstpflicht und auf das besondere
Pflichtverhältnis der Beamten: vgl. § 22. Die Entlassung wird wirksam mit der Aus-
händigung einer von der höheren Verwaltungsbehörde ausgefertigten Entlassungsurkunde.
Soll die Entlassung sich zugleich auf die Ehefrau oder die Kinder des Antragstellers beziehen,