Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Gefängnisrecht und Recht der Fürsorgeerziehung. 101 
Für Gewohnheitsverbrecher ist femer durch die Prevention of Crime Act von 1908 eine 
Sicherungshaft vorgesehen, in deren gleichfalls progressivem Vollzuge der Erziehungsgedanke 
Verwirklichung findet. 
III. Das Gefängniswesen der englischen Kolonien steht dem des Mutterlandes 
nahe. Erwähnt seien hier die australischen Anstalten zur Festhaltung von Gewohnheitsver- 
brechern auf unbestimmte Zeit (during His Majesty’s pleasure) in Neu Süd Wales, Neu 
Seeland usw. 
IV. Nachdem in Japan das erste #6do-Gefängnis, mit Unterabteilungen für je eine 
soziale Schicht und mit Gemeinschaftshaft von je zwölf Insassen auf eine Zelle, errichtet 
worden war, hat 1880 das neue Strafgesetzbuch getrennte Haft für noch nicht 16 jährige, 
für Erstmalige und für zwei= und mehrmals Bestrafte zwischen 16 und 20 Jahren vor- 
geschrieben. Für alle Gefangenen ist Einzelhaft 1889 grundsätzlich zum Vollzugssysteme ge- 
worden. Tatsächlich fehlt es freilich stark an Zellen. Die Grundzüge des Vollzuges regelt 
kaiserliches Edikt, die einzelnen Instruktionen erläßt das zuständige Ministerium, seit 1900 
das der Justiz. Von Gefängnissen gibt es tatsächlich drei Arten: Polizeigefängnisse, Zwangs- 
arbeitsanstalten und Lokalgefängnisse 1. Dazu kommen vier Jugendgefängnisse, 
die im Jahre 1903 zur Besserung durch Farmarbeit und Handfertigkeiten errichtet worden sind 2. 
V. Ein vorzüglich durchgeführtes Zellensystem besitzt Belgien dank dem ehemaligen 
Generalinspektor seiner Gefängnisse Ducpétiaux und dem jetzigen A. Prins. Es besteht 
femer, wenn auch nicht so folgerichtig verwirklicht, un Holland, sowie, dank dem damaligen 
Kronprinzen Oscar, seit 1846 in Schweden. 
VI. In Frankreich ist, im Gegensatze dazu, die 1844 beschlossene Einführung der 
Einzelhaft kurz darnach, 1852, durch einen übereilten Gegenerlaß Napoleons III. endgültig 
unterbrochen worden. Noch jetzt ist Gemeinschaftshaft bei Tag und Nacht für alle Gefangenen, 
selbst für die Kurzzeitigen tatsächlich die Regel. 
Höchst erwähnens- und nachahmenswert ist aber in diesem bedenklichen französischen 
System die Einrichtung der schon 1839 organisierten Disziplinargerichtshöfe. Sie 
bestehen aus dem Direktor und zwei als Beisitzer fungierenden Beamten, weil „eine tadellose 
Justiz in den Gefängnissen noch notwendiger ist, als in der Gesellschaft“ (Duchstel). 
VII. Wie Frankreich, so ist Osterreich tatsächlich (über die Rechtslage s. unten 
IX) Gemeinschaftshaft eigen, verbunden mit Schweigegebot und hie und da mit nächtlicher 
Trennung. 
VIII. Der italienische Vollzug beruht wesentlich auf Progressivsystem. Der 
Einzelhaft folgt gemeinsame Tagesarbeit, auf diese unter Umständen Aufenthalt in einer land- 
wirtschaftlichen oder industriellen Zwischenanstalt und als viertes Stadium abschließend vor- 
läufige Entlassung. 
IX. Progressivsystem besteht u. a. grundsätzlich im österreichischen, femer 
im schwedischen Vollzug, in der italienischen reclusione; eine Verbindung von 
Klassifikations- und Progressivsystem im ungarischen, kroatischen und bosnischen 
Vollzuge, desgleichen in dem Norwegens, Dänemarks, Spaniens ufw. 
V. 3 6. Zur Strafvollzugsreform. 
a) Methode. 
Wünsche für die künftige Gestaltung des Strafvollzuges, die hier freilich auch nicht an- 
nähemd erschöpfend vorgetragen werden können, mücssen sich auf genauer und vielseitiger Kenntnis 
der Zustände des bestehenden Vollzuges, vor allem seiner Wirkung aufbauen. Der Strafvollzug 
sieht im Zuchthaus anders aus als im Gefängnis, in einem Staat anders als im anderen, ja 
„i Crusen in d. Mitt. d. D. Ges. f. Natur= u. Völkerkunde Ostasiens, IX. T. 1, S. 21. 
* Holzman in Z. 35 Heft 1. 
* v. Liszt, Strafr. Aufs. u. Bortr. Bd. 1 S. 515 nennt Belgien mit Recht „das Muster- 
land der Zellengesängnis e“.
	        
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