Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Gefängnisrecht und Recht der Fürsorgeerziehung. 105 
geltend machen hört, in der Regel gesundheitsschädlich wirke. Das scheint nicht der Fall zu 
sein, läßt sich vielmehr doch wohl, wenigstens in vielen Fällen, durch rechtzeitige und vorsichtige 
Zuziehung des Arztes verhüten. Wohl aber wird hier behauptet, daß sie bei längerer Freiheits- 
strafe vielfach durch Weltentfremdung den Ubergang in die Freiheit und den ehrlichen Erwerb 
erschwert, den Rückfall mithin fördert. 
Nebenbei kommt hinzu, daß die Einzelhaft für langzeitige Freiheitsstrafe sehr kostspielig 
ist. Vergleicht man die Kosten von Zell- und Gemeinschaftsanstalten, so darf man nicht, wie 
e in der Regel geschieht, dort von Gefangenen gebaute und hier von freien Arbeitern errichtete 
Anstalten einstellen. Das reiche Amerika hat (s. oben S. 89) nicht zuletzt aus finanziellen Gründen 
die Durchführung der Einzelhaft aufgegeben, so daß sie jetzt innerhalb Amerikas nur noch am 
Ort ihrer Entstehung, im Eastern Penitentiary wenigstens offiziell besteht; denn faktisch 
ist auch dort bei der überfüllung der Anstalt von Einzelhaft keine Rede mehr 1. 
Für die langzeitige Freiheits-, insbesondere die Zuchthausstrafe empfiehlt sich Pro- 
gressivs ystem. Es verbindet in einem ersten Stadium der Einzelhaft deren Vorzüge mit 
der Vermeidung ihrer Schäden durch das ihr folgende Stadium der Gemeinschaft, an die sich 
eine wohlvorbereitete vorläufige Entlassung schließt. Man wird ihm nicht gerecht, wenn man 
es als „zu kompliziert“ und „zu umständlich" von der Hand weist 2. Auf dies System deutet 
auch die Rechtsvergleichung. Denn es besteht mit gewissen Verschiedenheiten in Italien, Eng- 
land, Ungarn, Kroatien, Bosnien, Finnland usf. Sein Kern, nämlich allmähliche Milderung 
des Strafzwanges und Annäherung an die Freiheit muß, bei aller hier im übrigen gebotenen 
Kürze, als berechtigt bezeichnet werden (s. oben S. 89). So denn auch Vorentw. 5 22, Gegen- 
entw. § 45; Ansätze dazu siehe auch in den Vorschlägen des Vereins Deutscher Strafanstalts- 
beamten zu einem Strafvollzugsgesetze von 1911 +8 32. 
II. Freilich ist auch bei solcher Regelung des Strafvollzugs, nämlich bei Einzelhaft 
für kürzere, Progressivsystem für längere Freiheitsstrafen, die 
Voraussetzung jedes Erfolges, daß er von ungeeigneten Elementen entlastet wird. Zur- 
zeit sind noch zu viele Arten von Gefangenen in ihm enthalten, auf die der ordentliche Straf- 
vollzug nicht wirken kann, und die darum auch die Beeinflussung der übrigen beein- 
trächtigen. 
Soweit solche Entlastung des Strafvollzugs durch die Reform der Strafmittel, 
nicht ihres Vollzuges erfolgen muß, gehört ihre eingehendere Behandlung nicht in diesen 
Rahmen. Der Kampf gegen die „kurze Freiheitsstrafe“ und die Frage ihres Ersatzes durch 
andere Maßregeln muß daher hier ausscheiden. 
Über die Behandlung der gewohnheits= und gewerbsmäßigen Ver- 
brecher darf man zusammenfassend soviel sagen: Nach der an ihnen zuerst zu voll- 
streckenden Freiheitsstrafe von längerer Dauer ist eine den Charakter der bloßen Sicherungs- 
maßregel tragende Nachhaft auf unbestimmte Zeit ihnen gegenüber erforderlich, 
wenn sie eine Gefahr für die Rechtssicherheit darstellen 5. 
Sie besteht für Gewerbs- und Gewohnheitsverbrecher in einigen Staaten Amerikas wie 
Australiens und neuerdings in England. In Deutschland ist sie unter vielen anderen von 
Ebermayer, Kahl, Klein, Kriegsmann, von Liszt, M. E. Mayer, sowie von 
Freudenthal vertreten und von dem Juristentage, dem GE. § 98, dem E. der Strafrechts- 
kommission in erster Lesung (DJ. 16, 1519), in Osterreich vom E. d. jur. Komm. f. d. StGB. 
von 1913 § 38 (Ber. S. 60) aufgenommen 4. 
Femne sei hier kurz der Notwendigkeit Erwähnung getan, geistig Minderwertige 
insoweit aus dem ordentlichen Strafvollzug auszuscheiden, wie sie für ihn ein Hindernis sind. 
Unter ihnen sind Gefangene verstanden, die auf einer Zwischenstufe zwischen geistig Gesunden 
und geistig Kranken stehen. Nicht als ob alle diese Zwischenstufen „untaugliche Objekte“ des 
ordentlichen Strafvollzuges wären. Das Gegenteil bildet die Regel. Wohl aber gibt es unter 
½ Näher von mir belegt Z. 28, 185 ff. 
* So Klein S. 20. Ahnlich E. d. B. D. Strafanstaltsb. S. 30 A. 1; s. auch Z. 33, 651. 
* So trefflich der Komm.-Entwurf nach Lucas DIg3 16, 1519. 
* Vgl. Kohler, Mod. Rechtsprobleme (2. Aufl.) S. 42.
	        
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