132 Ernst Beling.
für die Lehren von der Rechtshängigkeit und der Rechtskraft, denn in einer anderen als
der anhängigen bzw. rechtskräftig abgeurteilten Strafsache kann natürlich von Rechtshängig-
keit bzw. res iudicata keine Rede sein. Eadem res liegt aber vor, wenn sowohl
1. subjektive Identität (Identität der Person des Beschuldigten), wie auch
2. objektive Identität gegeben ist, was dann der Fall ist, wenn ein und dasselbe historische
Vorkommnis, „eine und dieselbe Tat“ zugrunde liegt. Nicht aufgehoben wird nach dem oben
(II.) Ausgeführten die Identität dadurch, daß es sich um verschiedene juristische Beurteilung
des Vorgangs handelt; ebensowenig dadurch, daß der Tatsachenkomplex nicht voll bekannt ist,
also die bloße Teilnatur des in Erörterung gezogenen Tatsachenmaterials den Prozeßbeteiligten
verborgen war; auch dadurch nicht, daß etwa nur von der Strafe, nicht von einer dazugehörigen
Nebenmaßregel die Rede war. Noch viel weniger wird die Identität dadurch beeinträchtigt,
daß sich nur die Beurteilung der Modalitäten des Vorgangs verschiebt (z. B. der Begehungs-
zeit, des Begehungsortes, der Eigenschaften des Verbrechensobjektes usw.), vorausgesetzt, daß
das Ereignis dasselbe bleibt.
Insoweit freilich eine zulässige Teilung des Prozeßgegenstandes (oben II) erfolgt,
erwachsen nunmehr aus der bisher einen zwei nicht mehr miteinander identische Strassachen.
Der im objektiven Verfahren anhängige Einziehungsanspruch ist nicht identisch mit dem Straf-
anspruch, der in die Rechtsmittelinstanz gediehene Teil des Prozeßgegenstandes ist nicht identisch
mit dem in Rechtskraft übergegangenen usw.
Spezieller Betrachtung bedarf noch die Identitätsfrage für das objektive Verfahren in
sich. Man wird hier Identität anzunehmen haben, wenn der Einziehungs-(Unbrauchbar--
machungs-) Interessent derselbe ist un d ferner der einzuziehende (unbrauchbar zu machende)
Gegenstand derselbe ist. Die Konsequenzen zeigen sich in der Rechtskraftlehre.
IV. Ein und derselbe Prozeß kann möglicherweise mehrere Strafsachen, also
mehrere Prozeßgegenstände umfassen, die im Wege der Verbindung zu einer Prozeß-
einheit zusammengelegt sind, sei es, daß die mehreren Strafsachen gegen verschiedene
Beschuldigte gerichtet sind (subjektive Klagenhäufung oder kumulation, passive Streit-
genossenschaft), sei es, daß die mehreren Strafsachen verschiedene in Realkonkurrenz
stehende Taten desselben Beschuldigten betreffen (objektive Klagenhäufung).
Zulässig ist die Verbindung dann, wenn zwischen den mehreren Strafsachen ein Zusammen-
hang (Konnexität) obwaltet. Der Zusammenhang braucht aber nicht ein solcher im engeren
Sinne des § 3 St PO. zu sein; der engere Zusammenhangsbegriff hat nur Bedeutung für die
Zuständigkeit; hier dagegen genügt jeder Zusammenhang, § 236 St PO. Ein solcher Zu-
sammenhang im weiteren Sinne ist aber bei Realkonkurrenz stets ohne weiteres vorhanden, —
denn solchenfalls ist ja sogar Konnexität im engeren Sinne vorhanden (§s 3 St PO.); bei Ver-
schiedenheit der Beschuldigten kommen außer den Fällen der Teilnahme (§5 3 St PO.) die Fälle
der Wechselseitigkeit der Taten und die der Gleichartigkeit (vgl. § 471 St PO.) in Betracht.
Die Verbindung kann dadurch erfolgen, daß der Kläger die mehreren Strafsachen zu-
sammen anhängig macht oder zu der erstanhängig gemachten die anderen durch Inzidentanklage
(§F 265 St PO.) hinzufügt; aber auch so, daß das Gericht die einzeln schwebenden Sachen durch
Beschluß zusammenlegt, was auch noch in der Hauptverhandlung statthaft ist (5 236 St PO.).
Die Verbindung ist aber jederzeit lösbar durch einen Trennungsbeschluß des Gerichts.
Will man die Wirkungen der Prozeßeinheit feststellen, so muß man sich davor hüten, diese
mit den Wirkungen des Bestehens eines Zusammenhanges (im engeren Sinne) zu verwechseln.
Letzterer bewirkt Zuständigkeit laut §s§ 2, 13 St PO. und Erstreckung der von den Gerichten
höherer Ordnung erforderlichen Prodezur auf die an sich zur niederen Zuständigkeit gehörende,
aber bei dem Gericht höherer Ordnung anhängige Strafsache laut § 5 StPO. Dagegen ist
das prozessuale Verbundensein an sich prinzipiell nur von faktischer Bedeutung (Ersparung
von Zeit durch Gemeinschaftlichkeit der Prozedur), juristisch hingegen ohne Einfluß auf das
Verfahren. Die mehreren Strafsachen behalten durchaus ihre juristische Selbständigkeit; das
Verfahren wird durch das Verbundensein der Sachen nicht alteriert. Dies ergibt sich schon
daraus, daß die Verbindung niemals eine notwendige ist und jederzeit gelöst werden kann.
Somit ergeben sich besonders folgende Sätze: