Strafprozeßrecht. 137
jenigen Strafsachen, in denen ein gesetzlicher Ausschließungsgrund (Verwandtschaft
des Richters mit dem Beschuldigten usw.) vorliegt (§ 22 St PO.), judex inhabilis, oder der
Richter von einem Beteiligten oder von sich selbst wegen bestehender Besorgnis der Befangen
heitabgelehnt worden ist (ss 24—30 St PO.), judex suspectus; und zwar sind Hand-
lungen eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen Richters unbedingt und ohne weiteres kraftlos;
dagegen ist Besorgnis der Befangenheit an sich auf das Verfahren ohne Einfluß, wenn und so-
lange nicht eine auf sie gestützte Ablehnung erfolgt ist.
IV. Außer den Berufsrichtern zieht das heutige Recht zu gewissen richterlichen Geschäften
unständige Richter, Laienrichter, heran: Schöffen und Geschworene. Diese haben keinerlei.
Beamteneigenschaft, wiewohl sie ein „Amt" versehen. AÜber die Berufung der Schöffen und
Geschworenen zum Amte enthält das Gesetz eingehende Vorschriften (§# 31—57, 84—97 GVGW.).
Sie erfolgt teils durch Auswahl, teils durch Los, und zwar bezüglich der Schöffen in folgenden
Etappen: Urliste, — berichtigte Urliste. — Jahresliste (je eine für Haupt- und Hilfsschöffen);
bezlglich der Geschworenen in folgenden Etappen: Urliste — Vorschlagsliste, — Jahresliste
(lie eine für Haupt- und Hilfsgeschworene) — Spruchliste. — Geschworenenbank. In Aus-
übung des Amts sind Schöffen und Geschworene aus denselben Gründen wie die Berufsrichter
Hausgeschlossen“ (5§§# 22, 31, 32 St PO.); auch die „Ablehnung“ ist bei den Schöffen dieselbe wie-
bei den Berufsrichtern, dagegen gilt für die Ablehnung der Geschworenen Besonderes nach
K 282, 283 St PO. (sie ist einerseits nicht durch eine bestehende Besorgnis der Befangenheit
bedingt, andererseits ziffermäßig beschränkt).
ller den Unterschied zwischen der schöffengerichtlichen und der schwurgerichtlichen Ver-
fassung ist unten zu handeln (5S 12 II 1b und 2b).
Die Heranziehung von Laien zur Rechtsprechung muß als durchaus verfehlt und höchst
bedenklich bezeichnet werden. Dies ist heute auch die Meinung nicht nur weitaus der meisten
Juristen (Theoretiker und Praktiken), sondern auch zahlreicher gebildeter Laien, die unumwunden
betonen, daß sie der gestellten Aufgabe nicht gewachsen seien und nicht gewachsen sein können.
Die Laienjustiz verdankt ihr Dasein einer politischen Forderung aus der Mitte des 19. Jahr-
hunderts. Man klagte darüber, daß die Urteile der beamteten Richter den Unabhängigkeitssinn
häufig vermissen ließen und nicht selten im Widerspruch zur Volksüberzeugung ständen; deshalb-
sollten fortan nach französischem Vorbilde „Männer aus dem Volke“ richten. Man dachte sich
anfänglich deren Tätigkeit aber nur auf die Tatfrage beschränkt; die Subsumtion des von
den Laienrichtern festgestellten Sachverhalts unter das Gesetz sollte Sache der gelehrten Richter
bleiben. Als dann jedoch die Trennung von Rechts- und Tatfrage zu unaufhörlichen Kompli-
kationen führte und es sich als undurchführbar erwies, die Entscheidung über diese zusammen-
gehörigen Fragen in verschiedene Hände zu legen, tat man den verhängnisvollen Schritt, die-
Laien zu Vollrichtern zu machen. Das war gleichbedeutend mit einer Auslieferung der Justiz
an den Zufall; denn Zufall ist es, ob die gerade zugezogenen Laien das Gesetz voll erfassen;
Zufall ist es, ob sie überhaupt gewillt sind, ihrer Pflicht gemäß lediglich das Gesetz zugrunde
zu legen; ist doch die irrige Meinung noch weit verbreitet, als habe sich der Laienrichter über-
haupt nicht nach dem Gesetz, sondern danach zu richten, ob er nach seinem subjektiven Empfinden
die Tat für straf würdig halte — eine Auffassung, die geradezu zu Anarchie und Rechts-
unsicherheit schlimmster Art führt. Gewiß mögen Fehlsprüche der Berufsrichter vorgekommen
sein und noch vorkommen —, das ist eben menschliche Unvollkommenheit. Aber um deswillen
dem Gesetzesunkundigen die Urteilsfällung anvertrauen, heißt den Teufel durch Beelzebub
austreiben. Auch der Schuhmacher macht manchmal einen Schuh, der drückt — wer hat je daraus.
die Konsequenz gezogen, daß die Schuhverfertigung „Laien“, also Nichtschuhmachern, übertragen
werden solle?! Und wenn der Berufsrichter wirklich in einer gewissen Abhängigkeit steckt —,
so sind die Laienrichter auch nicht frei, auch wenn sie ihrer Ketten spotten; unzählige noch dazu
unkontrollierbare Einflüsse aller Art, politische und sonstige Vorurteile können sie in Banden
halten. Dem Gesetzgeber der Zukunft ist der Weg klar vorgezeichnet: die Rechtsprechung muß
dem berufsrichterlichen Element in vollem Umfange zurückgegeben werden.
V. Anders, als im vorstehenden geschildert, ist das Personal bei den konsularen und kolo-
nialen Gerichten beschaffen. Es sind nämlich in den deutschen Konsulargerichtsbezirken an der