Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafprozeßrecht. 139 
8 12. IV. Die Formation der Gerichte zu Strafrechtsprechungskörpern. 
Literatur: Zachariä, Das moderne Schöffengericht (1872); H. Meyer, Die Frage 
des Schöffengerichts (1873); Denkschrift des Preuß. Justizministeriums über die Schöffen- 
Lgerichte (1873); Kleinfeller, Die Funktion des Vorsitzenden und sein Verhältnis zum Ge- 
richt (1885); Mittermaier-Liepmann, Schwurgerichte und Schöffengerichte (1908 ff.). 
I. Die in § 11 aufgezählten Gerichtsanstalten sind zur Strafrechtspflege nicht in der Weise 
berufen, daß immer der ganze Gerichtskörper (z. B. Präsident, Direktoren und Richter des 
Landgerichts zusammen) tätig zu werden hätte; vielmehr werden besondere Strafrechtsprechungs- 
körper, Gerichtshöfe, „Gerichte“ im engeren Sinne aus einer bestimmten Zahl von Mitgliederm 
der Gerichtsanstalt, zum Teil unter Hinzutritt von Nichtmitgliedern (Schöffen, Geschworenen) 
formiert. Dabei ist Grundsatz des heutigen Rechts die Ständigkeit der Gerichte in dem Sinne, 
daß das Personal der in der einzelnen Rechtssache mitwirkenden Gerichtspersonen nicht von 
Fall zu Fall von der Justizverwaltung bestimmt wird, sondern sich ein für allemal nach den ge- 
setzlichen Normativbestimmungen richtet. 
II. Die so formierten Strafrechtsprechungskörper stehen klassenweise im Verhältnis der 
Über- und Unterordnung zueinander als „Gerichte höherer und niederer Ord- 
nung“, und zwar sind es, von unten angefangen, folgende Klassen: 
1. a) die Amtsgerichte, so, daß immer ein Amtsrichter das ganze Amtzgericht 
repräsentiert (nichtkollegiale, einzelrichterliche Verfassung), 8 221 GVG. 
b) die Schöffengerichte, gebildet bei den Amtsgerichten, besetzt mit je einem 
Amtsrichter und zwei Schöffen. Die Schöffen bilden mit dem Amtsrichter ein 
Kollegium, in dem sie volle Gleichberechtigung mit dem Amtsrichter haben (§ 30 
GVG.). 
2. Bei den Landgerichten werden 
a) je eine oder mehrere Strafkammern gebildet, eine jede besetzt mit fünf, unter Um- 
ständen drei Berufsrichtern (I# 77, 78 GVG.), und zwar so, daß die Strafkammer 
als Gericht erster Instanz stets von fünf Richtern gebildet wird (fünfgliedrige Straf- 
kammer), während sie als Berufungsgericht bei bertretungen und in den Fällen 
der Privatklage mit drei Richtern (kleine Berufungsstrafkammer), im übrigen auch 
hier mit fünf Richtern (große Berufungsstrafkammer) besetzt ist. 
Sitz der Strafkammer ist regelmäßig der Landgerichtsort; eine Ausnahme 
bilden die sog. auswärtigen oder detachierten Strafkammern, gebildet bei einem 
Amtsgericht (§ 78 GVG.). 
b) Ferner treten bei den Landgerichten die Schwurgerichte zusammen, besetzt mit je 
drei Berufsrichtern, dem „Gerichtshof“, und zwölf Geschworenen, der „Geschworenen- 
bank“. Gerichtshof und Geschworenenbank bilden zwei getrennte Kollegien, die nicht 
gemeinsam entscheiden, von denen vielmehr jedes seinen eigenen Wirkungskreis 
hat, unten s 63 II (S5 81, 83 GVG.). 
T) Daneben fungiert ein Mitglied des Landgerichts als Untersuchungsrichter, 
( 60, 64 GVG.). 
3. An den Oberlandesgerichten werden die Strafsachen von einem oder mehreren Straf- 
senaten erledigt, deren jeder mit fünf Berufsrichtern besetzt ist (3§ 120, 124 GVG.). 
4. In gleicher Weise werden beim Reichsgericht Strafsenate, hier aus je sieben 
Mitgliedern bestehend, gebildet (sz5 132, 140 GVG.). In gewissen Fällen treten 
sämtliche Strafsenate zusammen, wieder in anderen Fällen sogar das Plenum des 
Reichsgerichts (Strafsenate und Zivilsenate) (S§ 137, 139 GVG.). Außerdem fungiert 
am Reichsgericht ein (nicht notwendig zu den Mitgliedern des Reichsgerichts gehöriger) 
Untersuchungsrichter (§ 184 GVW.). 
III. Schöffengerichte und Schwurgerichte sind von den übrigen Gerichten insofern wesent- 
lich verschieden, als sie nicht dauernd vorhanden sind. Das Schöffengericht tritt nämlich nur 
zu einzelnen Sitzungstagen zusammen, die im voraus für das ganze Jahr bestimmt sind, 
und zwar ausschließlich für die Hauptverhandlung (ogl. § 30 Abs. 2 G.); das
	        
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