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Schwurgericht wird zwar nicht bloß für einzelne Sitzungstage und nicht bloß für die Haupt
verhandlung, doch aber auch nur für einzelne Sitzungsperioden und nur für die Er-
ledigung des Hauptverfahrens gebildet.
In diesem Sinne (vgl. dagegen oben 1) sind also Schöffengerichte und Schwurgerichte
keine „ständigen“ Gerichte.
IV. Bei den kollegial eingerichteten Gerichten (also allen, außer den Amtsgerichten, oben
II 12) ist immer ein Mitglied des Kollegiums der „Vorsitzende“, im Gegensatz zu den
„Beisitzern“, und zwar
bei den Schöffengerichten der Amtsrichter;
bei den Strafkammern regelmäßig ein Landgerichtsdirektor (eventuell der Landgerichts-
präsident oder ein Landrichter)
bei den Schwurgerichten ein Mitglied des Landgerichts oder des Oberlandesgerichts;
bei den Strafsenaten der Oberlandesgerichte regelmäßig ein Oberlandesgerichts-Senats-
präsident (eventuell der Oberlandesgerichtspräsident oder ein Oberlandesgerichtsrat):
bei den Strafsenaten des Reichsgerichts regelmäßig ein Reichsgerichts-Senatspräsident
(eventuell der Reichsgerichtspräsident oder ein Reichsgerichtsrat).
Das Verhältnis des Vorsitzenden zu den übrigen Mitgliedern des Kollegiums ist, was
sein Stimmgewicht anlangt, nicht das der Überordnung, sondern das der Gleichstellung. Der
Vorsitzende ist nur, um einen vielgebrauchten Ausdruck zu wiederholen, primus inter pares;
er hat eineleitende Stellung; diese leitende Stellung teilt er aber mit niemandem (anders
der „Vorsitzende“ in der MSt#G#O., der wenig mehr als Sitzungspolizeiorgan ist, während sachlich
die vom Vorsitz abgezweigte Funktion des „Verhandlungsführers“ präponderiert).
Mitunter kommt es vor, daß ein Kollegium eine ihm an sich zufallende Aufgabe (z. B.
die Vernehmung eines Zeugen) einem aus seiner Mitte überträgt; dieser Delegatar heißt als-
dann „beauftragter Richter“ inwieweit eine solche lbertragung zulässig ist, ist in
der St PO. für die einzelnen Fälle speziell normiert (ogl. z. B. §J 222 St PO.).
Eine Sonderaufgabe fällt weiter dem sog. Berichterstatter (Referenten) zu (vgl.
## 23, 365, 391), d. i. demjenigen Mitgliede des Kollegiums, welches dazu berufen ist, durch
seinen Vortrag das Kollegium über die Prozeßlage zu unterrichten. Das Gesetz kennt eine solche
Berichterstattung bei Fassung des Beschlusses über die Eröffnung des Hauptverfahrens, sowie
in der Berufungs- und in der revisionsinstanzlichen Hauptverhandlung.
Eiuine besondere Funktion innerhalb der kollegialischen Tätigkeit ist endlich noch die Urteils-
fassung, das ist die schriftliche Absetzung der Urteilsurkunde, die aber zunächst lediglich
Urteils entwurf ist und natürlich erst durch unterschriftliche Mitvollziehung durch die übrigen
Mitglieder des Kollegiums zur „Urteilsurkunde“ wird.
V. In den Konsulargerichtsbezirken steht an Stelle des Amtsrichters der Konsul, an Stelle
des Schöffengerichts und der Strafkammer das „Konsulatsgerich““, bestehend aus
dem Konsul und zwei (in Strafsachen wegen Verbrechen und Vergehen vier) Laien als Bei-
sitzern.
Entsprechendes gilt für die Schutzgebiete.
V. Der Geschäftskreis der Gerichte.
§ 13. 1. Im allgemeinen.
I. Jedes Gericht hat einen bestimmten Sprengel. Die Bedeutung dieses Sprengels
ist die, daß das Gericht prinzipiell nur innerhalb desselben tätig werden soll und kann. Extra
territorium judicanti impune non paretur: außerhalb des Bezirks vorgenommene Amtshand-
lungen sind unkräftig, wenigstens insoweit der Handlungsort einem anderen deutschen Gericht
zugeteilt ist. Anders nur, wenn entweder das Amtsgericht des Handlungsortes zustimmt, oder
Gefahr im Verzuge obwaltet (§ 167 GVG.).
Dagegen ist die Tragweite der Wirkungen der Amtshandlungen nicht an den Sprengel
gebunden: jedes Gericht kann nicht bloß über die im Sprengel aufhältlichen Personen und Sachen
verfügen, sondern die Gerichtsgewalt eines jeden Gerichts reicht soweit wie die deutsche Gerichts-