Strafprozeßrecht. 143
einen Nachfolger zu geben. So entstand die Fünfteilung des geltenden Rechts. Daß dieser
Aufbau der sachlichen Zuständigkeit ungemein unharmonisch ist, leuchtet ein.
Erkennende Gerichte höherer Instanz sind
1. die Strafkammern: zweite Instanz für Berufungen gegen Urteile der Amts- und der
Schöffengerichte (§ 76 GVG., §J 211 St PO.);
2. die Oberlandesgerichte (eventuell eines unter den mehreren) oder das Oberste Landes-
gericht (§ 9 EGVG.):
a) dritte Instanz für Revisionen gegen zweitinstanzliche Strafkammerurteile (5 1232
GVG.) (vorbehaltlich der nachstehend 3b zu erwähnenden Ausnahme)j;
b) zweite Instanz für Revisionen gegen erstinstanzliche Strafkammerurteile, falls die
Revision ausschließlich auf die Verletzung eines landesrechtlichen Rechtssatzes gestützt
wird (§ 1232 GVG.);
3. das Reichsgericht:
a) zweite Instanz für Revisionen gegen erstinstanzliche Strafkammerurteile, insoweit
nicht der oben 2b erwähnte Ausnahmefall vorliegt, und für Revisionen gegen
Schwurgerichtsurteile (5 1362 GVG.);
b) dritte Instanz für Revisionen gegen zweitinstanzliche Strafkammerurteile, wenn
es sich um eine reichsfiskalische Zoll- und Steuersache handelt und sich die Staats-
anwaltschaft bei Einsendung der Akten an das Reichsgericht als Revisionsinstanz.
wendet (§5 136 Abs. 2 G.).
III. Die sachlichen Zuständigkeiten verhalten sich in dem Sinne exklusiv zueinander, daß
eine Strafsache, die einem Gericht höherer Ordnung zugewiesen ist, nicht von einem Gericht
niederer Ordnung erledigt werden kann (vgl. § 270 St PO.). Eine Ausnahme begründet
5 5 28 G.
Dagegen kann unter Umständen eine Strafsache recht wohl statt von dem eigentlich zu-
ständigen Gericht von einem Gericht höherer Ordnung abgemacht werden; die Zuständig-
keit höherer Ordnung umfaßt nämlich in gewisser Weise die Strafsachen mit, die an sich vor
Gerichte niederer Ordnung verwiesen sind.
1. Die Zuständigkeit der Amtsgerichte als erkennender Gerichte nach § 211 Abs. 2 St PO.
(oben II. 1) ist eine nur fakultative. Sachen dieser Art können auch schöffengerichtlich ab-
gewandelt werden.
2. Strafsachen niederer Ordnung können, wenn sie mit einer Strafsache höherer Ordnung
im Sinne des § 3 St PO. zusammenhängen (Konnexität im engeren Sinne, oben 5+ 7 IV), mit
dieser Strafsache verbunden werden; die Verbindung verschafft der Strafsache niederer Ordnung
die Zugehörigkeit vor das Gericht höherer Ordnung (sz§ 2—5 St PO., Ausnahme §& 424 Abs. 2
St PO.).
3. Von Eröffnung des Hauptverfahrens ab bleibt ein jedes Gericht endgültig mit der Sache
befaßt, auch wenn letztere eigentlich vor ein Gericht niederer Ordnung gehören würde (vgl. § 269
St PO.).
4. Jedes beschließende Gericht kann das Hauptverfahren statt vor dem zu ihm gehörigen
erkennenden Gericht vor einem erkennenden Gericht niederer Ordnung eröffnen, z. B. die
beschließende Strafkammer vor dem Schöffengericht (§ 207 St PO.).
IV. Die sachliche Zuständigkeit hat das Gericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts
wegen zu prüfen (§ 6 St PO., natürlich unter Berücksichtigung der sub III erörterten Gesetzes-
bestimmungen, insbesondere des § 269 St PO.).
V. Der Möglichkeit sachlicher Kompetenzkonflikte gedenkt das Gesetz nicht. Meist wird.
gelehrt, auf sachliche Kompetenzkonflikte seien die den örtlichen Kompetenzstreit regelnden §§s 14,
19 St PO. analog zu übertragen; oder es wird im Konfliktsfall dem Gericht höherer Ordnung
oder auch dem prävenierenden Gericht die Zuständigkeit zugeschrieben. Richtiger Ansicht nach
kann lediglich die dazwischentretende Rechtskraft die Lösung der Konflikts herbeiführen (so auch
m614 EM St GO. bei Kompetenzstreit zwischen militärischen und zivilistischen Gerichten.)