Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

14 Ernst Beling. 
§ 15. 3. Die örtliche Zuständigkeit (der Gerichtsstand, Forum). 
Biteratur: N. Stein, UÜber das korum delicti commissi usw. (1876); Ortloff, Ge- 
richtssaal 1884 S. 319, 488; Schneidler, Der Ort der begangenen Handlung (1886); 
v. Lilienthal, Ort der begangenen Handlung (1890); Bulling, Der örtliche Gerichts- 
stand in Preßstrafsachen (1894); Betz, Das forum delicti commissi usw. (1896); Birkmeyer, 
D. Jur.-Ztg. IV, S. 301; Kronecker, Verhandlungen des 25. deutschen Juristentages, Bd. II 
S. 24 (1900); Kitzinger, Der ambulante Gerichtsstand der Presse (1901); Derselbe, 
Ort und Zeit der Handlung (1902); Birkmeyer, Die Novelle über den fliegenden Gerichts- 
stand der Presse, D. Zur--3tg. VII S. 181. Über den Ort der Tat s. auch die Darstellungen des 
Strafrechts. — Braun, Negative Kompetenzkonflikte im Sinne des § 19 St PO., Bl. f. R.= 
Anwendung LXVI (1901). 
I. Die Gerichtsstände des heutigen Rechts sind folgende: 
1. Der Gerichtsstand des Tatortes, forum cdelicti commissi (§7 St PO.). Gehört 
der Tatort zu keinem deutschen Gerichtssprengel, so ist ein korum delicti commissi in Deutschland 
natürlich nicht gegeben. Ausnahmsweise werden jedoch deutsche Schiffe im Auslande oder 
auf hoher See dem Sprengel des Heimathafengerichts oder dem nach der Tat zuerst erreichten 
Gerichtssprengel zugerechnet (S 10 St PO.). 
Als „Tatort“ kann wie im materiellen Strafrecht nur der Ort gelten, an dem der Täter 
handelte (Aufenthaltstheorie). Der Erfolgsort ist eben nur Erfolgsort und somit nicht der Ort 
der Tat. Mithin war auch der sog. fliegende oder ambulante Gerichtsstand der Presse ohne 
jede Stütze im Gesetz. Bei Preßdelikten sollte nämlich angeblich als Gericht des Tatortes jedes 
Gericht zuständig sein, in dessen Bezirk auch nur ein Exemplar des Preßerzeugnisses ver- 
breitet worden ist (weil überall dort der „Erfolg“ des Preßdelikts eingetreten sei); so eine 
weitverbreitete Praxis, gegen die sich aber bereits gerade in der Judikatur selbst Widerspruch 
erhoben hatte. Zu Abhilfe ist die Gesetzgebung angerufen worden, — ganz unnötigerweise, 
denn es bedurfte lediglich der Anwendung von der durchaus unhaltbaren Erfolgstheorie, um 
zu klaren, befriedigenden Ergebnissen auch hinsichtlich der Preßdelikte zu gelangen. Griff aber 
einmal die Gesetzgebung ein, so war im Interesse der Klarheit geboten, die unbestimmten Be- 
griffe des Ortes, wo die Druckschrift „erschienen ist" und des Ortes, wo sie „verbreitet worden 
ist“, ganz beiseite zu lassen. Aus allen Unzuträglichkeiten wäre man herausgekommen durch 
die einfache, ganz generell lautende Vorschrift: 
Der Gerichtsstand ist bei demjenigen Gerichte begründet, in dessen Bezirke sich der Täter bei 
Begehung der strafbaren Handlung befunden hat. 
Glaubte man, daß damit die Situation des beleidigten Privatklägers zu ungünstig gestaltet 
sei, so konnte man die Bestimmung hinzufügen: 
Im Falle der Privatklage wegen Beleidigung ist der Gerichtsstand auch bei demjenigen Ge- 
richte begründet, in dessen Bezirke der Privatkläger wohnt. 
Leider löst das schließlich zustande gekommene Gesetz — Reichsgesetz vom 13. Juni 1902 
betr. die Abänderung des § 7 der StPO. — das Problem nicht in dieser zweckmäßigen Weise; 
es behält nicht nur den Erscheinungsort und den Verbreitungsort bei, sondern operiert sogar 
mit einer — die Schwäche der ganzen Neuregelung deutlich verratenden — Fiktion. Es spricht 
sich nämlich nach wie vor über die Frage nach dem Orte der Tat nicht aus, sondern verfügt: 
Wenn der Tatbestand der strafbaren Handlung durch den Inhalt einer im Inlande erschienenen 
Druckschrift begründet werde, so solle als Tatortsgericht dasjenige Gericht angesehen werden, 
in dessen Bezirke die Druckschrift erschienen sei; jedoch solle in den Fällen der Beleidigung, sofern 
die Verfolgung im Wege der Privatklage stattfinde, auch das Gericht, in dessen Bezirk die Druck- 
schrift verbreitet worden sei, zuständig sein, wenn in diesem Bezirk die beleidigte Person ihren 
Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt habe. 
Dieser Novelle ist nur das eine nachzurühmen, daß sie wenigstens nicht der Erfolgstheorie 
eine Stütze bietet. Nach wie vor bleibt vielmehr die richtige Auslegung ungehindert, daß, 
soweit nicht die Preßdelikte in Frage kommen, Tatort der Aufenthaltsort ist. 
Handelt es sich um ein Delikt, bei dem sich der Täter während seines Handelns an ver- 
schiedenen Orten aufgehalten hat (hat der Täter z. B. im Eisenbahncoupé während der Fahrt 
sein Opfer eine halbe Stunde lang gemißhandelt), so muß die Zuständigkeit an jedem der mehreren 
Orte begründet sein. Nicht als ob man hier der Tat mehrere Tatorte zuschreiben könnte, was
	        
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