Strafrecht. 13
A. Das Verbrechen nach seinen wesentlichen Merkmalen.
Erstes Kapitel.
Das Verbrechen als Handlung.
8 4. Das Wesen der Handlung.
Bestandteile der Handlung. Das Verbrechen ist eine Handlung, also können
jedenfalls Gedanken und Entschlüsse noch nichts Verbrecherisches sein. Positiv gehört zum
Handlungsbegriff nach den verschiedenen Definitionen, die man dafür aufstellt, mindestens eine
aus menschlichen Körperbewegungen bestehende Tätigkeit. Die Körperbewegungen können
zweierlei Art sein: 1. willkürliche, 2. unwillkürliche, d. h. erzwungene, auf mechanische Ein-
wirkung oder unmittelbaren inneren Reiz (wie z. B. beim Krampfanfall) beruhende. An einem
dahingehenden Gegensatz — wenn vielleicht auch mit anderen Bezeichnungen — muß man
festhalten, mag man auch die Willensfreiheit verneinen. Denn nähme man an, daß alle Körper-
bewegungen gleicherweise unter einem inneren oder äußeren Zwange ständen, so wäre
jede Bestrafung unbillig und dem Strafrecht überhaupt die Grundlage entzogen. Nur „will-
kürliche“ Körperbewegungen gehören zu der verbrecherischen Tätigkeit und demgemäß zu der
Handlung im strafrechtlichen Sinn. Wenn also der Arzt bei einer Operation von einem Dritten
gestoßen wird und einen zu tiefen Schnitt macht, hat er nicht nur keine fahrlässige Körper-
verletzung, sondern überhaupt keine strafrechtlich relevante Handlung begangen.
Da die Körperbewegung schon im Augenblick ihrer Vornahme Wirkungen hervorruft,
kann der Begriff der Handlung nicht mit der verbrecherischen Tätigkeit erschöpft sein, sondern
muß auch die aus ihr hervorgehenden Wirkungen mitumfassen. Freilich können nicht alle Wir-
kungen unter den strafrechtlichen Begriff der Handlungen fallen. Denn strafrechtlich interessiert
nur die Tat bis zu derjenigen Wirkung, an welche die Rechtsordnung als besondere Folge die
Strafe geknüpft hat. Das ist der Erfolg. Die nachfolgenden Wirkungen scheiden als un-
erheblich aus. Zur Handlung gehört also die Tätigkeit mit ihren Wirkungen bis zum Erfolg
einschließlich.
Kausalzusammenhang. Selbswerständlich kann jemand für einen Erfolg nur
dann verantwortlich gemacht werden, wenn er denselben durch seine Tätigkeit herbeigeführt
hat. Der Erfolg und die verbrecherische Tätigkeit müssen im Kausalzusammenhang stehen.
Nun stehen alle Dinge in einem gewissen Zusammenhang, und neben der verbrecherischen Tätig-
keit müssen, wenn ein Erfolg zustande kommen soll, noch andere Faktoren mitwirken. Die
letzteren sind wohl vom naturwissenschaftlichen und philosophischen Standpunkte aus auch Ur-
sachen, aber die Jurisprudenz wird sie als bloße Werdebedingungen ansehen und den Begriff
der Ursache auf diejenigen Faktoren beschränken müssen, welche für das tägliche Leben als
spontane Bewegungkräfte erscheinen. Die menschliche Tätigkeit gehört zweifellos hierhin.
Sie kann darum Ursache eines Erfolgs sein. Sie ist es aber nur dann, wenn die durch sie
angeregte und zum Erfolg hinführende Kausalkette nicht unterbrochen wird.
Eine Unterbrechung geschieht entweder durch ein dazwischentretendes Naturereignis (z. B.
der tödlich Verwundete wird vom Blitz erschlagen) oder durch die Tätigkeit eines anderen
Menschen, der sich seinerseits zum Herrn über die angeregte Kausalkette macht (z. B. X. gibt
dem von A. tödlich Getroffenen den Gnadenstoß). Die Aneignung der Herrschaft muß hinzu-
kommen. Ohne daß sich jemand zum Her# über die Kausalkette macht, unterbricht er nicht
die fremde Tätigkeit. Der Kausalzusammenhang wird daher durch die ungeschickte Behand-
lung des Arztes nicht unbedingt schon dann gestört, wenn bei größerem Geschick der Verwundete
am Leben erhalten wäre. Auch muß der Kausalzusammenhang bestehen bleiben, wenn neben
der verbrecherischen Tätigkeit eine andere auf dasselbe Ziel hinarbeitet und dieses erst durch die
Verbindung beider erreicht wird.
Unterlassung. Das Verbrechen haben wir als Handlung bestimmt. Nun ist es
aber auch möglich, durch Unterlassung ein Delikt zu begehen. Soll die Unterlassung eine Spezies