Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

148 Ernst Beling. 
Die in 1 und 2 genannten „Formalparteien“ erscheinen als mit einer „Verfügerstellung“ 
hinsichtlich fremder Strafansprüche ausgerüstet. 
IV. Soweit es sich um die „Nebenansprüche“ (oben 6 II) als Teile des Prozeßgegenstandes 
handelt, sind die leitenden Gesichtspunkte für die Gewinnung der Parteifähigkeit und der Sach- 
legitimation entsprechend anzuwenden. 
8§ 19. II. Der Staat als Strafkläger; die Staatsanwaltschaft. 
Literatur: Sundelin, Die Staatsanwaltschaft in Deutschland (1860); v. Holtzen-= 
dorff, Die Reform der Staatsanwaltschaft in Deutschland (1864); Tinsch, Die Staats- 
anwaltschaft im deutschen Reichsstrafprozeßr. (1884); Otto, Die Preuß. Staatsanwaltschaft 
(1899); v. Marck-Kloß, Die Staatsanwaltschaft bei den Land- und Amtsgerichten in Preußen 
(2. Aufl. 1903). — Höfling, Die Polizeibehörden als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft 
(1881); Gerland, Archiv f. öff. R. Bd. V S. 1 (1890); Genzmer, Die Zätigkeit der 
Kanzt. in Strafsachen (1900); Elling, Die Einführung der Staatsanwaltschaft in Deutschland 
(1911). 
I. Diejenige Behörde, welche berufen ist, als Organ des Staates in seiner Eigenschaft 
als Strafkläger zu fungieren, ist die Staatsanwaltschaft (in Frankreich ministere public mit 
procureurs dG’Etat, hervorgegangen aus den gens du roi des 14. Jahrhunderts). 
II. Bei jeder einheimischen Gerichtsanstalt (ebenso bei den Kolonialgerichten) ist eine 
Staatsanwaltschaft einzurichten (anders bei den Konsulargerichten) (5 142 GVG.). Die staats- 
anwaltschaftliche Behörde heißt beim Reichsgericht „Reichsanwaltschaft“, bei den Oberlandes- 
gerichten und den Landgerichten „Staatsanwaltschaft“ im engeren Sinne, bei den Amtsgerichten 
„Amtsanwaltschaft“ (§ 143 GVG.). 
III. Beamter der Reichsanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft im engeren Sinne kann 
nur derjenige sein, der die Fähigkeit zum Richteramt hat (5 149 Abs. 2 GVG.). Die Quali-= 
fikation zum Amtsanwalt richtet sich nach Landesrecht. 
IV. Die Beamten der Reichsanwaltschaft sind „nicht richterliche Beamte“ (§F 149 Abs. 1 
GVG.), daher im Gegensatz zu den Richtern amovibel (§ 150 Abs. 2). Inwieweit die übrigen 
staatsanwaltschaftlichen Beamten richterliche oder nichtrichterliche Beamten sind, richtet sich 
nach Landesrecht. 
V. Die Staatsanwaltschaften (im weiteren Sinne) sind nicht kollegialisch, sondern bureau- 
kratisch eingerichtet, d. h. von mehreren bei derselben Behörde angestellten staatsanwaltschaft- 
lichen Beamten ist allemal einer die Spitze der Behörde (bei der Reichsanwaltschaft der „Ober- 
Reichsanwalt“ bei den übrigen Behörden ist die Titulatur partikularrechtlich verschieden: „General- 
staatsanwalt“, „Oberstaatsanwalt“, „Erster Staatsanwalt“ usw.), und die übrigen handeln 
nur als seine Vertreter (5 145 GVG.). 
VI. Die gesamte staatsanwaltschaftliche Beamtenschaft eines jeden Bundesstaates bildet 
eine Einheit derart, daß jeder dieser Beamten befähigt ist, alle staatsanwaltschaftlichen Ge- 
schäfte allenthalben vorzunehmen, d. h. nicht bloß bei der speziellen Behörde, bei der er angestellt 
ist: Le ministere public est un et indivisible. 
1. Zwar ist die Bearbeitung der Strafsachen auch unter die staatsanwaltschaftlichen Be- 
hörden (wie unter die Gerichte) nach dem Gesichtspunkte sachlicher und örtlicher Zuständigkeit 
verteilt (ugl. S§ 143, 144), aber 
2. es besteht das sog. Devolutionsrecht (jeder erste Beamte einer oberlandes- 
gerichtlichen oder landgerichtlichen Staatsanwaltschaft ist befugt, die einem Untergebenen über- 
tragenen Geschäfte zu übernehmen) und das sog. Substitutionsrecht (jeder dieser ersten 
Beamten kann seine eigenen Geschäfte einem Untergebenen übertragen, auch die Untergebenen 
untereinander substituieren mit der Maßgabe, daß ein Amtsanwalt nur einem Amtsanwalt 
substituiert werden kann) (5§ 146 GVG.); und 
3. jeder staatsanwaltschaftliche Beamte muß die dienstlichen Anweisungen seiner „Vor- 
gesetzten“ (5 148 GVG. und Landesrecht) befolgen (5 147 GVG.), wobei aber entgegen der 
hergebrachten Meinung als selbstverständlich zu subintelligieren ist, daß es sich nicht um An- 
weisungen contra legem handelt.
	        
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