Strafprozeßrecht. 149
VII. Eine Dienstaufsicht über Gerichte darf den Staatsanwaltschaften nicht übertragen
werden (5152 GVG.). Anders in Frankreich, wo „le ministere public est Poeil du gouvernement
Par lequel sont observées les tribunaux“.
VIII. Als Gehilfen bei der Bearbeitung der Strafsachen sind den Staatsanwaltschaften
sämtliche Beamten des Polizei= und Sicherheitsdienstes zugeordnet (vgl. z. B. I§ 127 Abs. 2,
161 St PO.). In einem direkten Unterordnungsverhältnis zur Staatsanwaltschaft steht aber
nur die sog. Kriminalpolizei, gerichtliche Polizei. Welche Polizeibeamten dazu gehören, hat auf
Grund des §* 153 GVGG. das Landesrecht zu bestimmen. Die Kriminalpolizei hat im Straf-
prozeß ganz besondere, den übrigen Polizeibeamten nicht zustehende Befugnisse (vgl. §§ 98,
105 St PO.).
Viertes Kapitel.
Das Prozeßverhältnis.
8 20.
Literatur: v. Kries, Ztschr. f. StrR Wiss. V S. 1; Eisler, Die Prozeßvoraussetzungen
im österr. Strafprozeß, Grünhuts Ztschr. Bd. XVII S. 587: Bierling, Z. f. Stre Wiss.
Bd. X S. 251. — Vgl. auch Bülow, Lehre von den Prozeßeinreden und Prozeßvoraussetzungen
(1868); Wach, Handb. des Zivilprozesses Bd. 1 S. 34; Kohler, Prozeß als Rechtsverhältnis (1888).
I. Derjenige, der eine Strafsache vor ein Strafgericht bringen will, muß, und wäre er noch
so strafklageberechtigt, dies in gesetzlich besiimmter Artund Weise tun, nämlich in Gemäß-
heit der sog. „Prozeßvoraussetzungen" im eigentlichen Sinne. (Ein älterer Sprach-
gebrauch begreift unter „Prozeßvoraussetzungen“ auch die Bedingungen für die Zulässigkeit
der Strafverfolgung überhaupt, die Strafklagerechtsbedingungen mit.) Prozeßvoraussetzungen sind
1. Einhaltung der für die Prozeßeinleitung vorgeschriebenen Form und Art;
2. Vorgehen in der zulässigen Prozeßart;
3. Zuständigkeit der beteiligten Behörden;
4. Prozeßlegitimation für den Klagealt (vgl. unten 8 28);
Für die Verwaltungsstrafklage fügt § 464 Abs. 2 St PO. noch ein besonderes Erfordernis
als Prozeßvoraussetzung hinzu.
II. Durch eine Klage, die den Prozeßvoraussetzungen genügt, wird das „Prozeß-
verhältnis“ zwischen dem Gericht und den Parteien begründet, d. h. ein öffentlich-rechtliches
Rechtsverhältnis, kraft dessen es zu einer Abwicklung des Prozesses kommt. Würde es dagegen
an einer Prozeßvoraussetzung fehlen („Prozeßhindernis“), so würde ein ordnungsmäßiges Prozeß-
verhältnis nicht entstehen, und das Gericht hätte das Verfahren abzulehnen („Einstellung des
Verfahrens"), ohne auch nur zu prüfen, ob die Strafverfolgung an sich zulässig (ein Strafklage-
recht gegeben) ist, geschweige denn, ob ein Strafanspruch vorhanden (also zu verurteilen oder
freizusprechen) ist.
III. Die Prozeßvoraussetzungen sind im allgemeinen perpetuierlich und unverzichtbar,
d. h. ihr Vorliegen ist vom Gericht in jeder Lage des Verfahrens und auch ohne Rücksicht auf
das Verhalten der Parteien zu prüfen. Doch gibt es auch kurzlebige Prozeßvoraussetzungen,
deren Fehlen unbeachtlich wird, sobald das Verfahren zu einem bestimmten Punkte gediehen
ist (Geilung des Prozeßhindernisses), vgl. StpO. ös 17, 296; und verzichtbare, deren Fehlen
unschädlich ist, wenn es der Beschuldigte nicht rügt, vgl. St PO. 5§ 18.
IV. Das Prozeßverhältnis in seiner einfachsten Gestalt umspannt eine Strassache,
einen Kläger und einen Beschuldigten. Infolge der Zulässigkeit einer objektiven Klagen-
häufung, einer subjektiven Klagenhäufung und einer Zusammenlegung von Prozessen, St PO.
I# 2—4, 13 Abs. 2, 415 Abs. 2, 424 II, vgl. oben &+7 IV, kann jedoch auch ein Prozeßverhältnis
zuwege kommen, das mehrere Strafsachen und mehrere Personen als Streitgenossen umfaßt.
Im Privatklageverfahren kann durch Widerklage an das erste Prozeßverhältnis ein Gegen-
prozeßverhältnis angelehnt werden, StPO. / 428.
Endlich kann nach St PO. § 435 ff. am Prozeßverhältnis außer den Parteien (Haupt-
parteien) ein Nebenkläger partizipieren.