Strafprozeßrecht. 153
232 Abs. 2 St PO.). Hier handelt es sich um Beweiserhebungen, die aus der Hauptverhandlung
heraus in das Stadium der „Vorbereitung der Hauptverhandlung“ verlegt werden. Formell
wird freilich der Zusammenhang dadurch aufrechterhalten, daß in der Hauptverhandlung die
Protokolle über die kommissarisch erzielten Aussagen verlesen werden.
§ 25. k. Das Prinzip der Offentlichkeit.
Literatur: Feuerbach, Betrachtungen über Offentlichkeit und Mündlichkeit der Ge-
rechtigkeitspflege (1821); Hepp, Anklageschaft, Offentlichkeit und Mündlichkeit des Straf-
verfahrens (1842)) Mittermaier, Mündlichkeit, Anklageprinzip, Offentlichkeit und Ge-
schworenengerichte (1845); Gneist, Vier Fragen (1874) 58 ff.; Kleinfeller, Das Reichs-
gesetz betr. die unter Ausschluß der Offentlichkeit stattfindenden Gerichtsverhandlungen, erläutert
(1888); Klemm, desgl. (1888); Kleinfeller, Gerichtssaal Bd. XXXIX S. 417; Fuld,
Goltd. Arch. Bd. XXXVI S. 335; Zenk, Die Offentlichkeit im Militärstrafprozeß, 2. Aufl. (1896).
I. Im Gegensatz zu dem Grundsatz der Heimlichkeit des gemeinrechtlichen Inquisitions-
prozesses gilt heute der Grundsatz der Offentlichkeit, wonach das unbeteiligte Publikum (un-
bestimmt, welche und wie viele Personen) Zutritt zur Hauptverhandlung hat (7 170.
GVG., rf 281, 288 Abs. 2 St PO.; vgl. daneben I§s 45, 91 GVG., § 280 Abs. 2 St PO.).
II. Heimlich muß jedoch nach § 195 GVG., F 301, 303 StpO. die Beratung und
Abstimmung der Kollegialgerichte vor sich gehen (dagegen hinwiederum die Urteilsverkündung
öffentlich, 5 170 GVG.); nur kann der Vorsitzende die bei dem Gericht zu ihrer juristischen Aus-
bildung beschäftigten Personen zulassen.
III. Durch Gerichtsbeschluß kann die Offentlichkeit der Hauptverhandlung ausgeschlossen
werden, wenn sie eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung, insbesondere der Staatssicherheit,
oder eine Gefährdung der Sittlichkeit besorgen läßt (§# 173—175 GVG.). Trotz Ausschlusses.
der Offentlichkeit der Verhandlung erfolgt aber die Verkündung des Urteils öffentlich; in
diesem Punkte ist Ausschließung der Offentlichkeit unstatthaft; nur kann durch besonderen
Beschluß des Gerichts die nichtöffentliche Verkündung der Urteils gründe oder eines Teils.
davon angeordnet werden, wenn sie eine Gefährdung der Staatssicherheit oder der Sittlichkeit
(nicht der öffentlichen Ordnung) besorgen läßt (5 174 GWG.).
Insoweit die Offentlichkeit ausgeschlossen ist, finden Unbeteiligte keinen Zutritt; eskann
jedoch das Gericht einzelnen Personen den Zutritt gestatten, und es mufß dieser Zutritt den
die Dienstaufsicht führenden Beamten der Justizverwaltung gestattet werden (§ 176 Abl. 2
und 3 GV.).
IV. Gewissen Personen kann der Vorsitzende den Zutritt zur Hauptverhandlung trotz
deren Offentlichkeit versagen, nämlich: Unerwachsenen; Personen, die die bürgerlichen Ehren-
rechte nicht besitzen; Personen, die in einer der Würde des Gerichts nicht entsprechenden Weise
erscheinen (§ 176 Abs. 1 G.); außerdem kann die Handhabung der Sitzungspolizei zu einem
gleichen Ergebnis führen, § 178 GVG. (unten § 34).
§ 26. FP. Die prinzipielle Stellung der Staatsanwaltschaft und des
Beschuldigten.
Literatur: Süß, Die Stellung der Parteien im modernen Strafprozeß (1898); H. Meyer,
Die Parteien im Strafprozeß (1889); W. Mittermaier, Parteistellung der Staatsanwalt-
schaft (1897); Amschl, Beiträge zur Anwendung des (österr.) Strafverfahrens (2. Aufl. 1910,
2. Heft 1911). — Heinze, Goltd. Arch. Bd. XXIV . S. 295; Glaser, Kl. Schriften 1441,
523, 539; v. Groß, Das Prinzip der Strafverfolgung, in seiner Ztschr.: Die Strafrechtspflege
in Deutschland II 133, 385; Gneist, Vier Fragen (1874).
I. Das heutige Recht geht von dem sog. Grundsatz der Waffengleichheit oder Parteien-
gleichheit aus, wonach Rechte und Pflichten der Parteien im Prozeß gleich bemessen sein sollen.
Non debet actori licere, quod reo non permittitur (I. 41 D. de div. regul. iur. 50, 17). Aus
diesem Gesichtspunkt heraus hat z. B. das deutsche Recht die sog. Anklageakte des Staatsanwalts
in der Hauptverhandlung vor Eintritt in die Beweisaufnahme, wie sie der Code rinstruction
criminelle kennt, nicht ausgenommen, da sie der klagenden Partei, mit Rücksicht auf die mög-
licherweise daraus hervorgehende Voreingenommenheit der Urteilenden, einen großen Vor-