Strafprozeßrecht. 155
herbeiführen, 55 170—175 St PO., unten §& 58 I (nicht aber kann er, abgesehen von den Privat-
klagefällen, als Kläger das Gericht anrufen).
Das Legalitätsprinzip wird durch einzelne Ausnahmen durchbrochen, kraft deren es auf
die (pflichtmäßig zu beurteilende) Opportunität der Strafverfolgung ankommt, nämlich:
a) Bei den privatklagefähigen Delikten hat die Staatsanwaltschaft zu prüfen, ob die
Staatsklage im öffentlichen Interesse liegt (5 416 St PO., § 22 Abs. 3 S. 2 Wett-
bewerbsgesetzes vom 7. Juni 1909).
b) Bei Auslandsdelikten „kann“ — muß also nicht — eingeschritten werden, soweit §sF 4,
37 StEB. in Betracht kommen (anders z. B. § 298 usw. StGB.).
e) Ein objektives Verfahren braucht, wo die Einziehung bzw. Unbrauchbarmachung nur
fakultativ ist, nicht eingeleitet zu werden (S 42 StGB., 5+ 477 St PO.).
lch Im Falle der Realkonkurrenz kann einer oder der andere der mehreren Verbrechens-
fälle aus der Strafverfolgung ausgeschaltet werden, wenn dessen Feststellung für die
Strafzumessung unwesentlich erscheint (§ 208 St PO.). Diese Gesetzesbestimmung
unterscheidet sich von denen ad a—e jedoch insofern, als die Staatsanwaltschaft nicht
souverän die Strafverfolgung unterlassen darf, sonderm der Mitwirkung des Gerichts
bedarf, um die betreffende Strafsache ausschalten zu können.)
IV. Der Beschuldigte ist im heutigen Recht als verteidigungsberechtigtes Rechts-
subjekt anerkannt; inwieweit seine persönliche Freiheit, sein Besitzstand usw. angetastet werden
kann, ist genau fixiert. «
Die prozessualen Angriffsalte des Klägers, speziell die Anklage, wirken auf den Beschuldigten
nicht direkt, sondern erst vermittelst eines den Angriffsakt prüfenden Gerichtsbeschlusses (daher
z. B. Notwendigkeit der Eröffnung des Hauptverfahrens).
Zwangsmaßregeln gegen den Beschuldigten können grundsätzlich nur vom Richter aus-
gehen, oder mindestens kann (eventuell muß), wenn andere Organe sie vorgenommen haben,
eine nachträgliche Entscheidung des Gerichts erfolgen (vgl. z. B. 5§.98, 100, 105, 110, 114 St PO.).
Zweites Kapitel.
Die Prozeßhandlungen.
A. Allgemeines.
§ 27. I. Systematik und rechtliche Bedeutung der Prozeßhandlungen.
Literatur: W. Jellinek, Der fehlerhafte Staatsakt und seine Wirkungen (1908);
Kormann, System der rechtsgeschäftlichen Staatsakte (1910)) Max Friedländer,
Die Lehre von der absoluten Richtipkeit strafgerichtlicher Urteile, Gerichtssaal Bd. LVIII S.3390;
Mumm, Goltd. Arch. Bd. XLVII S. 360; Otker, Konkursrechtliche Grundbegriffe I S. 498;
Kru 6 , Hur Frage der absoluten Nichtigkeit strafgerichtlicher Entscheidungen Ztschr. f. StrRWiss.
Bd. XXV S. 408; Löffler, Unheilbare Nichtigkeit im österr. Strafverfahren, in Grünhuts
Ztschr. Bd. XXXI (1904); Kroschel, Nichtigkeit von Urteilen, Gerichtssaal Bd. LXIX S. 137;
Michel, Absolute Nichtigkeit von Zivil- und Strafurteilen (1906); Voß, Die Nichtigkeit von
Strafurteilen, in Goltd. Arch. Bd. LIV S. 247; Kriegsmann, Die Nichtigkeit des Straf-
urteils, in der Festschrift f. Hänel (1907); v. Baligand, Avbsolute Nichtigkeit, im Gerichts-
saal Bd. LXXII S. 171. Vgl. auch Wach, Urteilsnichtigkeit im Zivilprozeß, Rhein. Ztschr. f.
Hioll und Prozeßrecht Bd. III S. 373. — Ostern, Die Alternativität bei strafprozessualen
illenserklärungen (1902).
Barnau, Stellvertretung im Strafrecht und Strafprozeß (1890); Bucher, Der Ver-
zicht im Strafprozeß (1882); Frese. Die rechtliche der in einem Sühnetermin abgeschlossenen
Vergleiche, Ztschr. f. StRK Wiss. Bd. XII S. 824; J. Schmid, Über Vergleich in Privat-
llagesachen, Bl. f. R Pfl. in Thüringen N. F. Bd. XIX S. 289; Möllenhoff, Zulässigkeit
und Wirksamkeit des Vergleichs . im Strafverfahren auf erhobene Privatklage (1893).
I. Wenn man die Prozeßhandlungen zunächst ohne Rücksicht auf ihre Zulässigkeit, Gültig-
keit, Notwendigkeit lediglich zum Zwecke der Katalogisierung, nebeneinanderstellt, so ergeben
sich eine unübersehbare Menge von Arten (Typen) von Prozeßhandlungen: Klage, Eröffnungs-
beschluß, Urteil, Zeugenvereidigung, Zeugenaussage, Rechtsmitteleinlegung, Strafbefehl, Haft-