Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

160 Ernst Beling. 
§ 29. Fortsetzung: Vertretungs= und Unterstützungsverhältnisse. 
I. 1. Fälle einer Prozeßvertretung auf Aktivseite sind folgende: 
a) Der prozeßunfähige Privat= (Neben-) kläger wird durch seinen gesetzlichen Vertreter 
vertreten, StPO. § 414 Abf. 3. 
b) Gewillkürte Stellvertretung des Privat= (Neben-) klägers ist erwähnt in StPO. #s 418, 
437 I. 
2. Prozeßvertretung auf Seite des Beschuldigten ist grundsätzlich ausgeschlossen. 
a) Ist der Beschuldigte prozeßunfähig, so muß der Prozeß stillstehen, soweit es auf Handeln 
des Beschuldigten ankommt. Der für den Zivilprozeß legitimierte gesetzliche Vertreter ist zum 
Strafprozeß nicht legitimiert. 
b) Auch an Stelle des prozeßfähigen Beschuldigten vermag grundsätzlich ein anderer nicht 
zu handeln; es kommt grundsätzlich nur das eigene Handeln des Beschuldigten in Betracht. 
Insbesondere vermag der zivilrechtliche gesetzliche Vertreter des Beschuldigten keine Prozeß- 
handlungen statt seiner vorzunehmen oder entgegenzunehmen, noch viel weniger bedarf es seiner 
Zuziehung zum Prozeß. (Doch erwähnen den gesetzlichen Vertreter die ös 137 Abs. 2, 268, 340, 
405, 414 Abs. 2 St PO.) Auch eine gewillkürte Prozeßvertretung (Ubertragung der Prozeß- 
führung auf einen Vertreter) gibt es auf Passivseite grundsätzlich nicht; Ausnahmen enthalten 
die ös 418, 437 Abs. 1; 322, 324, 474; 233, 230 Abs. 2, 231, 370, 390, 427, 451, 457, 232; 
478 Abs. 3 St PO. 
II. Als Personen, die die Partei bei ihrem Handeln unterstützen, kommen in Betracht 
1. der Gerichtsschreiber in den Fällen der Ss 385 Abs. 2, 406 Abs. 2, 421 St PO.; 
2. Rechtsanwälte in den Fällen 88 385 II, 406 II. 
3. Verteidiger und Beistände, s. unten §& 30. 
§ 30. Fortsetzung: Verteidigung und Beistandleistung. 
Literatur: Frydmann, Systemat. Handbuch der Verteidigung im Strafverfahren 
(1878); Vargha, Die Verteidigung in Strafsachen (1879); v. Schwarze, Erörterungen 
(1881) 129 ff.; Boitus, Kontroversen I, 46; Köhler, Die Lehre von der Verteidigung, 
Gerichtssaal LIII 161 ff., 321 ff. 
I. Verteidiger ist eine Person, die, neben dem Beschuldigten (nicht statt seiner) handelnd, 
von diesem ungerechtfertigte Straf- (und Neben-) ansprüche und ungerechtfertigte Prozeßakte 
abzuwehren hat. 
1. Die Verteidigung ist in jedem Verfahren und jederzeit zulässig (ss 137, 328 St PO., 
anders die MSt #.); in gewissen Sachen (§§ 140, 81 St PO.) ist sie sogar unerläßlich, sog. 
„notwendige Verteidigung“. 
2. Die Verteidigerstellung wird in erster Linie durch Wahl, und zwar seitens des Be- 
schuldigten (vgl. aber auch §§ 137 Abs. 2, 328), begründet: sog. Wahlverteidiger. In 
Ermangelung eines Wahlverteidigers tritt eventuell Berufung durch den Vorsitzenden des 
Gerichts ein: sog. Offizial= oder bestellter Verteidiger ; solche Bestellung 
muß in den Fällen der notwendigen Verteidigung erfolgen (§ 140 St PO., vgl. § 81 das.); ob 
sie sonst erfolgt, hängt vom Ermessen des Gerichts ab (5 141). Wählbarkeit zum Verteidiger 
und Bestellbarkeit sind nicht identisch; wählbar ist grundsätzlich jedermann, speziell aber Rechts- 
anwälte und Rechtslehrer an deutschen Hochschulen (vgl. im einzelnen s 138, 139 St PO.); 
bestellbar sind nur Rechtsanwälte, Justizbeamte, die nicht als Richter angestellt sind, und Rechts- 
kundige, die die erste juristische Prüfung bestanden haben (§ 144 St PO.). 
3. Über die Funktionen des Verteidigers enthält die St PO. Einzelbestimmungen in 
95 147, 148, 191, 167 Abs. 2, 223, 217, 238, 257. Streiten in einem Falle öffentliches Inter- 
esse und Interesse des Beschuldigten miteinander, so hat sich der Verteidiger insofern auf die 
Seite des letzteren zu schlagen, als er niemals gegen ihn aggressiv werden darf (er darf 
z. B. nicht auf Verurteilung plädieren, wenn er die Schuld für erwiesen hält, während der 
Staatsanwalt Freisprechung beantragt hatte); bei der Abwehr dagegen darf der Verteidiger 
niemals berechtigten Angriffen entgegentreten (z. B. auszuführen suchen, daß das in
	        
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