Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafprozeßrecht. 163 
stimmungsgegenstande zu machen ist. Getrennt abzustimmen ist über die Schuldfrage und die 
Straffrage. Stehen mehrere Entscheidungsmöglichkeiten in Frage, so ist über diese sukzessiv 
abzustimmen. Ein überstimmter Richter darf sich bei der sich anreihenden weiterschreitenden 
Abstimmung nicht nur nicht weigern, zu votieren, sondern hat sich dabei sogar auf den Stand- 
punkt der Majorität zu stellen, sonst hätte ja die Fragentrennung keinen Zweck. Durchaus 
ausgeschlossen ist eine Abstimmung über abstrakte Rechtsfragen. Die Rechtsauffassung der 
Richter ist ein untrennbares Element der Gesamtentscheidung; will von fünf Richtern einer 
freisprechen, weil er den „untauglichen Versuch“ nicht für Versuch im Sinne des StGB. hält, 
und ein zweiter deshalb, weil er den Angeklagten für nicht identisch mit dem Täter hält, so ist 
freizusprechen (bei Sondererledigung der Rechtsfrage würde man zu dem entgegengesetzten 
Ergebnis gelangen). 
III. Urteile sind stets zu verkünden (§ 267 St PO.), und zwar durch Verlesung der Urteils- 
formel und Mitteilung der Gründe. An Beteiligte, die etwa bei der Verkündung nicht zugegen 
waren, erfolgt außerdem Zustellung (§§ 234, 268). Andere Entscheidungen sind Anwesenden 
zu verkünden, Nichtanwesenden zuzustellen (Is 35 ff. St PO.). 
IV. Das gültig gefällte Urteil ist für das Gericht, das es gefällt hat, in diesem Prozeß 
bindend, unwiderruflich, die Instanz ist erledigt (Dessaisierungsprinzip). Nur 
unter ganz besonderen Voraussetzungen kann ein Gericht ein von ihm gefälltes Urteil aufheben. 
Gleiches gilt für prozeßerledigende Beschlüsse und Verfügungen. 
§ 33. 
b) Die Rechtskraft insbesondere. 
Literatur: Küßner, Goltd. Arch. Bd. III S. 198; A. Berner das. S. 472; Der- 
selbe, im Gerichtssaal 1866 S. 31; Ortloff in Goltd. Arch. Bd. XXVI S. 86; Heff fter 
Non bis in idem (1873); Glas er, Verbrauch der Strafklage, in Grünhuts Ztschr. Bd. XI 
S. 303; Lammasch, Gerichtssaal 1889 S. 1;: Max Berner, JNe bis in idem (1891) 
Gläckszmann, Rechtskraft der strafproz. Entscheidung über Hichung usw. (1898); Her- 
schel, dere (iäo rlchrl Gerichtssaal Bd. LIII S Farnbacher, Gerichts- 
aal vb. Li Heinsheimer,Ztschr. f. in Bd. 50 ret 564; Barbarino, 
Rechtskraft es Stossichen (Diss. 1902). 
I. Formelle Rechtskraft — Unumstoßbarkeit einer Entscheidung im Rahmen 
des Prozesses — kommt solchen Entscheidungen zu, die weder durch einen ordentlichen Rechts- 
behelf von den Beteiligten angefochten, noch vom Gericht in normaler Weise ex okficio abge- 
ändert werden können; in Rechtskraft erwachsen des weiteren solche Entscheidungen, die von 
vornherein mittelst eines befristeten ordentlichen Rechtsbehelfs anfechtbar waren, wenn entweder 
die Anfechtungsfrist unbenutzt verflossen ist, oder der eingelegte Rechtsbehelf, ohne Erfolg gehabt 
zu haben, seine Erledigung gefunden hat. 
Die Rechtskraft ist eine absolute, wenn die Entscheidung von niemandem und in 
keiner Hinsicht mehr angefochten werden kann; eine relative, solange nur gewisse Personen 
sie nicht mehr anfechten können (subiektiorelati, oder die Anfechtung nur für einen Teil des 
Entscheidungsinhalts unmöglich geworden ist (objektiv-relativ). 
II. Materielle Rechtskraft nennt man das Hinauswirken der formell rechts- 
kräftigen Entscheidung über den konkreten erledigten Prozeß hinaus. Sie besteht im Straf- 
prozeß darin, daß über den durch die Entscheidung erledigten Prozeßgegenstand ein abermaliges 
Verfahren nicht zulässig ist, auch nicht unter neuen Gesichtspunkten; das Strafklagerecht ist kon- 
sumiert; res judicata; ne bis in icem. Dieser Grundsatz ist im Code d’instr. crim. art. 360, wenn 
auch nur einseitig, dahin ausgedrückt: Toute personne acquittee Légalement ne pourra plus 
Stre reprise ni accusée à raison du méme fait. In der St PO fehlt es an einer ausdrücklichen 
Satzung; das Prinzip gilt gleichwohl auch für die, wie sich arg. e contrario aus der Beschränkung 
der Zulassung einer Wiederaufnahme des Verfahrens ergibt. 
Materielle Rechtskraft kommt zu: dem formell rechtskräftigen Sachurteil; sie darf auch 
nicht, wie das Reichsgericht fälschlich tut, dem Strafbefehl abgesprochen werden, wie § 450 St P. 
unzweideutig zeigt, und wie sich aus der Natur des Strafbefehls als einer richterlichen, bei 
117
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.