Strafprozeßrecht. 175.
überstellung (Konfrontation) des Zeugen mit anderen Zeugen oder mit dem Beschuldigten
im Vowerfahren tunlichst vermieden werden soll (5 58 StPO.). Die Vernehmung des Zeugen
zerlegt sich in die Vernehmung „zur Person“ (Befragung über Vor-- und Zunamen, Alter,
Religionsbekenntnis, Stand oder Gewerbe und Wohnort, erforderlichenfalls über verwandt-
schaftliche Beziehungen zu dem Beschuldigten und andere für die Beurteilung der Glaub-
würdigkeit erhebliche Umstände) und die Vernehmung „zur Sache“ (F 67 St PO.).
V. Grundsätzlich hat der Richter jedem Zeugen den Eid abzunehmen. Unvereidigt
sind jedoch zu vernehmen (§ 56 St PO.):
a) Eidesunmündige (Mündigkeitsalter: das 16. Lebensalter), desgleichen Eidesunreife
(Personen, die wegen mangelnder Verstandesreise oder wegen Verstandesschwäche
von dem Wesen und der Bedeutung des Eides keine genügende Vorstellung haben):
b) die strafweise Eidesunfähigen (§ 161 St PO.);
c) die Komplizen des Beschuldigten: Personen, die hinsichtlich der den Gegenstand der
Untersuchung bildenden Tat als Teilnehmer, Begünstiger oder Hehler (oder — wie
man per argum. a fortiori hinzuzufügen berechtigt ist — sogar als Alleintäter an Stelle-
des Beschuldigten) verdächtig oder bereits verurteilt sind. „Die den Gegenstand der
Untersuchung bildende Tat“ ist im korrekten technischen Sinne zu nehmen; es genügt
nicht, wie das Reichsgericht will, daß der Zeuge bei dem in Rede stehenden „Vorgang“
irgendwie beteiligt erscheint; ebenso liegt nicht der geringste Grund vor, die Ausdrücke
„Teilnehmer, Begünstiger, Hehler“ in einem laxen Sinn zu fassen; sie sind vielmehr
streng in der materiellstrafrechtlichen Bedeutung, die sie haben, auch hier anzuwenden.
Ist ein Zeuge ein nach § 51 StPO. — oben II a. E. — zeugnisweigerungsberechtigter
Angehöriger des Beschuldigten, so steht es, wenn er von seinem Weigerungsrecht keinen Gebrauch
macht, im richterlichen Ermessen, ob der Zeuge vereidigt werden soll oder nicht.
Dagegen kann der Schwur nicht um deswillen einem Zeugen erlassen werden, weil er
auch unvereidigt voll glaubwürdig erscheine; und umgekehrt ist eine Abstandnahme von der
Vereidigung wegen Unglaubwürdigkeit des Zeugen dem geltenden Strafprozeßrecht unbekannt;
es wäre dringend zu wünschen, daß es — entgegen einer rückläufigen Strömung, die in dem
Entwurf einer Strafprozeßnovelle zum Ausdruck gelangt war, entgegen auch dem sehr bedauer-
lichen § 299 Abs. 4 MStGO. — bei diesem Rechtszustande verbliebe.
Der Eid ist regelmäßig (§ 60 St PO.) vor der Vernehmung zu leisten (Voreid); doch
wird zurzeit in dieser Hinsicht eine Anderung des Gesetzes zugunsten des Nacheides angestrebt,
wie ihn schon jetzt die MSt#GO. (§ 196) und die Z PO. (§ 392) vorschreiben.
Prinzipiell erfolgt die Vereidigung erst in der Hauptverhandlung, eventuell bei kom-
missarischer Vernehmung (St PO. § 222), nur ausnahmsweise im Vowerfahren (5 65 St PO.).
Regelmäßig deckt der Eid immer nur je eine Aussage; bei abermaliger Vernehmung muß
der Zeuge also nochmals vereidigt werden. Ob „eine“ Aussage vorliegt oder deren mehrere,
hängt nicht ab von der Einheit oder Mehrheit des Beweisthemas, sondern von folgenden Ge-
sichtspunkten: Fallen die Aussagen in verschiedene Prozesse, so handelt es sich stets um mehrere
Aussagen. Mehrfache Befragung des Zeugen im Verlaufe eines und desselben Prozesses stellt,
wenn es sich um verschiedene Termine handelt, eine Mehrheit von Aussagen dar. Mehrfache
Befragung des Zeugen im selben Termine stellt eine Aussage dar, es müßte denn sein, daß
ein Nacheid trennend in der Mitte zwischen den mehreren Befragungen steht (die nach dem
Nacheid vorgenommene Befragung ist von dem Eide ja nicht mehr umfaßt und deshalb eine neue
Vemehmung). Die Regel, daß in allen Fällen mehrfacher Vernehmung so viel Eide zu leisten
sind, als Aussagen vorliegen, wird jedoch durchbrochen durch die fakultative Ausnahme des § 66.
St PO. Danach kann bei nochmaliger Vernehmung eines vereidigten Zeugen in demselben
Vorverfahren, ebenso bei nochmaliger Vernehmung eines im Hauptverfahren vereidigten Zeugen
in demselben Hauptverfahren der körperliche Eid ersetzt werden durch eine Erklärung des
Zeugen, daß er die Richtigkeit seiner Aussage unter Berufung auf den früher geleisteten Eid-
versichere.
Der Zeugeneid ist, wie auch die sonstigen Eide des Straf= und des Zivilprozeßrechts,
akonfessionell. Von manchen Seiten wird jedoch eine Verkirchlichung des Eides angestrebt, —