16 F. Wachenfeld.
von welchen keins die Handlung mit allen ihren Erfolgen umspannt. Darum würde man diesen
Fall viel richtiger als seigentliche) Gesetzeskonkurrenz bezeichnen.
Mehrere Handlungen und ein Verbrechen. Obwohl im allgemeinen
die Zahl der Verbrechen der Anzahl der strafbaren Handlungen entspricht, gehen doch unter
Umständen mehrere Handlungen, von denen jede an sich schon ein Verbrechen bildet, in ein
einziges Verbrechen auf. Eine solche Verbrechenseinheit statt der ursprünglichen Verbrechens-
mehrheit kann nicht wirlkürlich, sondern nur auf positiv-rechtlicher Grundlage angenommen
werden. Hiernach gibt es zwei solcher Gruppen:
1. die gesetzliche Einheit. Das sind Fälle, in denen nach dem Machtspruch
des Gesetzgebers mehrere Verbrechen als ein einziges behandelt werden sollen. Es gehört dahin
das sog. Gesamtverbrechen, bei dem die verschiedenen Außerungen eines gewissen verbrecherischen
Verhaltens zu einer Einheit zusammengefaßt werden; z. B. ein Schuldner, über dessen Ver-
mögen der Konkurs eröffnet ist, macht sich je eines Verbrechens schuldig, wenn er übermäßige
Summen durch Aufwand verbraucht, wenn er keine Handelsbücher führt oder keine Bilanz
zieht (§ 240 KonkO.). Hat er diese drei Handlungen begangen, so soll doch sein gesamtes
Tun als nur ein Verbrechen angesehen werden. Die Vornahme einer einzigen unzüchtigen
Handlung an einem Kinde begründet die Anwendung des §& 176 Nr. 3 StGB. Aber die Formu-
lierung des Gesetzes läßt keinen Zweifel, daß es ein Verbrechen bleibt, wenn eine ganze Reihe
von Unzuchtsakten an dem einen Kinde verübt wurde. Als ein besonders wichtiger Fall ist
hierhin zu rechnen das Kollektivdelikt, d. i. das gewohnheits-, gewerbs- oder geschäftsmäßig
vorgenommene Verbrechen, bei dem die verschiedenen Einzelhandlungen als Ausfluß derselben
Lebensrichtung zu einem Verbrechen verbunden werden (z. B. ös 144, 150, 260, 284, 302 d
StGB.);
2. das fortgesetzte Verbrechen. Die Existenz eines solchen ist übrigens nicht unbestritten,
da es an einer ausdrücklichen Bestimmung im Gesetz fehlt. Allerdings darf man es aus prak-
tischer Erwägung, ohne positiv-rechtliche Grundlage nicht konstruieren wollen. Aber letztere
ergibt sich aus der Natur der einzelnen Delikte, die so beschaffen sind, daß ihr gesetzlicher Tat-
bestand die Verbindung mehrerer strafbarer Handlungen zu einem Verbrechen zuläßt. Das
Moment, welches eine so innige Verbindung der an sich verschiedenen Handlungen bewirkt, kann
nur in einem integrierenden Bestandteil der Handlung gefunden werden. Das ist aber weder
die Absicht des Täters noch der gleichartige Verlauf oder die zeitliche Nähe der Einzelhandlungen.
Es ist nur zweierlei möglich: die Einzelhandlungen finden entweder ihre Einigung in der ver-
brecherischen Tätigkeit oder im Erfolg. Im ersteren Fall ist aber die Verbrechenseinheit von
Anfang an und schon um der einheitlichen Handlung willen vorhanden. Es bleibt also nichts
anderes übrig, als das Einigende in dem Aufgehen der einzelnen Handlungen in einem
Erfolg zu sehen. Nach dieser Ansicht hat der Dieb, welcher mehrere Nächte hintereinander ver-
schiedenen Eigentüumern gehörige Wäschestücke von derselben Bleiche entwedet, nur einen
Diebstahl begangen. Denn der Diebstahl ist Eingriff in fremden Gewahrsam, und die Hand-
lungen verletzen hier nur ein solches Herrschaftsverhältnis. An dem Resultat ändert sich nichts,
auch wenn der Täter nach jeder Handlung Reue empfand und zu jeder auf andere Weise, durch
Gelegenheit, Not, Anstiftung, veranlaßt wurde.
Worin man nun auch das Kriterium des fortgesetzten Verbrechens erblickt, es gehört zu
diesem die Verbindung mehrerer, an sich selbständiger strafbarer Handlungen. Hierin unter-
scheidet es sich von demfortdauernden Verbrechen, d. i. der unterbrochenen Ver-
wirklichung des verbrecherischen Tatbestandes (wie z. B. bei Einsperrung), und dem Zu-
standsverbrechen, das, wie z. B. die Doppelehe, einen vom Gesetz mißbilligten Zu-
stand herbeiführt, aber schon mit der Herbeiführung dieses Zustandes abgeschlossen ist. Sowohl
bei dem fortdauernden als auch bei dem Zustandsverbrechen liegt nur eine Handlung vor.
Verbrechensmehrheit. Sopweit mehrere strafbare Handlungen weder eine
gesetzliche Einheit noch ein fortgesetztes Verbrechen bilden, erscheinen sie als eine Verbrechens-
mehrheit. Gelangen sie zu gleicher Zeit zur Aburteilung, oder sind sie wenigstens vor der Ab-
urteilung einer von ihnen begangen, spricht man von einer realen Verbrechenskonkurrenz.
Letztere ist also ein Ausschnitt aus der Verbrechensmehrheit.