Strafprozeßrecht. 179
B. Die einzelnen Maßregeln.
s 49.
I. Untersuchungshaft und vorläufige Festnahme.
Literatur: Heinze, Das Recht der Untersuchungshaft (1865); Zucker, Die Unter-
Echuneshaft (1873, 4 der selbe, Die Reformbedürftigkeit der Untersuchungshaft (1879;
ppenheim, Zur Lehre von der Untersuchungshaft E Bozi, Reform der Unter-
Lurnheidl s Hetzel, Die Unterin ungshaft (1509 êr — ckmann, Gerichtssaal
FJafsa in der iistri s. Sir# Wiss. Bd. X Sontag, Die Ent-
lassung gegen Kaution (1865); Melliger, Die bllafung zuss der inta 2 gegen
Kautigns Echweizer. tschr. f. Stü. Bd. IX S. 175; Heintzeler, Die Rechtsnatur der Sicher-
heitsleistung zwecks Abwendung der untersuchungshaft (1906).
I. Zur Verhängung der Untersuchungshaft gegen den Beschuldigten bedarf es grund-
sätzlich eines schriftlichen richterlichen Haftbefehls, und zwar desjenigen Richters bzw. Gerichts,
bei dem die Sache zur Zeit hängt, im vorbereitenden Verfahren des Amtsrichters (§§ 114, 125
St PO.). Voraussetzungen eines Haftbefehls sind (ös 112, 113 St PO.) dringender Verdacht
der Tat und (kumulativ) entweder Fluchtverdacht oder Kollusionsverdacht, d. i. Verdacht,
daß der Beschuldigte Spuren der Tat vernichten oder Zeugen oder Mitschuldige zu einer falschen
Anssage oder Zeugen dazu verleiten werde, sich der Zeugnispflicht zu entziehen. Der Flucht-
verdacht wird präsumiert 1. wenn ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet;
2. wenn der Beschuldigte ein Heimatloser oder Landstreicher oder nicht imstande ist, sich über
seine Person auszuweisen; 3. wenn der Beschuldigte ein Ausländer ist, und begründeter Zweifel
besteht, ob er sich auf Ladung vor Gericht stellen und dem Urteile Folge leisten werde. Das
will jedoch nicht besagen, daß in diesen Fällen Untersuchungshaft verhängt werden müsse
oder auch nur als Regel gedacht sei; vielmehr ist es Richterpflicht, auch in diesen Fällen wie in
allen Fällen zu prüfen, ob nicht ohne Untersuchungshaft auszukommen ist, und insonderheit
ob nicht Umstände vorliegen, die die gesetzliche Fluchtverdachtspräsumtion entkräften. Die
St PO. hat die obligatorische Untersuchungshaft älterer Rechte verständigerweise nicht auf-
genommen.
Bei Taten, die nur mit Haft oder Geldstrafe bedroht sind, also allen Ubertretungen und
etlichen Vergehen, ist Kollusionshaft gänzlich ausgeschlossen und Fluchthaft nur dann zulässig
wenn der Beschuldigte ein Heimatloser, Landstreicher, Ausweisloser oder unsicherer Ausländer
oder Polizeiobservat ist, oder die den Gegenstand der Untersuchung bildende Ubertretung Über-
weisung an die Landespolizeibehörde nach sich ziehen kann.
Unzulässig ist Verhängung der Untersuchungshaft seitens zivilistischer Gerichte über die
zum Dienste einberufenen Personen des Beurlaubtenstandes und die ihnen gesetzlich gleich-
stehenden Personen (69 Abs. 1 Satz 2 MStE.).
Wird ein Haftbefehl öffentlich bekannt gemacht (offener Haftbefehh, so nennt man ihn
„Steckbrief“, (§ 131 Abs. 1, 3 St PO.).
Ohne Vorliegen eines Haftbefehls kann jemandem nur ausnahmsweise, unter den Voraus-
setzungen des § 127 St PO., die Freiheit entzogen werden, sog. „vorläufige Festmahme“ in
solchen Fällen ist aber immer unverzüglich nachträgliche richterliche Entscheidung über Verhaftung
oder Nichtwerhaftung zu erwirken (&s 128—130 St PO.). Festnahmeberechtigt ist jedermann,
wenn der Täter auf frischer Tat betroffen oder verfolgt wird, und entweder er fluchtverdächtig
ist, oder seine Persönlichkeit nicht sofort festgestellt werden kann; auch ohne Zutreffen dieser
Voraussetzungen sind die Staatsanwaltschaft und die Polizei- und Sicherheitsbeamten fest-
nahmeberechtigt, wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen und Gefahr im Verzug
obwaltet.
Ein Steckbrief darf ohne vorgängigen Haftbefehl nicht erlassen werden (Ausnahme § v3
Abs. 2 St PO..
II. Die Untersuchungshaft vor Erhebung der öffentlichen Klage ist befristet in maximo
nach Verschiedenheit der Fälle vier bzw. zwei Wochen, von der Vollstreckung des Haftbefehls
ab gerechnet, § 126 St PO.). Die Untersuchungshaft nach Erhebung der öffentlichen Klage
ist unbefristet.
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