Strafprozeßrecht. 183
den Fall der sog. Kompensation (58 199, 233 StGB.), den Fall der Zurücknahme des Straf-
antrages, den Fall schuldhaft irreführender Denunziation usw. (sH 496—506 St P.). Die
Höhe der Kosten bestimmt sich namentlich nach dem Gerichtskostengeset vom E6
II. Erfolgt im Wiederaufnahmeverfahren Bestrafung auf Grund eines milderen Straf-
gesetzes oder Freisprechung, so hat der solchergestalt mehr, als er schuldig war, oder ganz un-
schuldig Bestrafte einen Anspruch auf Entschädigung von Staats wegen, sofern sich im Wieder-
aufnahmeverfahren seine Unschuld bezüglich der Tat oder eines erschwerenden Umstandes heraus-
gestellt hat oder wenigstens der Verdacht zerstört worden ist, und unter der weiteren Voraus-
setzung, daß der Beschuldigte seine frühere Verurteilung nicht vorsätzlich oder fahrlässig herbei-
geführt hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, so hat das Wiederaufnahmegericht neben dem
Urteil einen separaten Beschluß zu erlassen, der die Verpflichtung der Staatskasse zur Entschädigung
feststellt. Uber den Betrag der Entschädigung entscheidet demnächst auf Betreiben des Ent-
schädigungsberechtigten die Landesjustizuerwaltung vorbehaltlich des ordentlichen Zivilrechts-
weges (RGes. v. 20. Mai 1898).
Ahrliche Sätze wie für die Strafentschädigung gelten für die Haftentschädigung (RGes.
v. 14. Juli 1904).
Besonderer Teil.
Erstes Kapitel.
Uberblick über den Gang des Verfahrens.
§ 56.
Literatur: v. Kries, Borverfahren und Hauptverfahren, Ztschr. f. StRW. Bd. IX S. 1;
Kronecker, das. Bd. X S. 487; Hegler, Zur Stellung der Gerichte im Strafverfahren,
in der Festschr. für Binding Bd. II (1911).
Der Strafprozeß zerlegt sich zeitlich in das Vorverfahren und das Hauptverfahren. Vor-
verfahren sind alle Prozeßhandlungen bis zur Eröffnung des Hauptverfahrens. Sein
Zweck ist Stoffsammlung behufs demnächstiger Entscheidung der Frage, ob ein Hauptverfahren
stattfinden solle. Die einfachste Erscheinungsform des Vorerfahrens ist das vorbereitende
oder Ermittelungsver fahren (staatsanwaltschaftlich); in das Vowerfahren fällt
aber auch die in gewissen Fällen stattfindende Voruntersuchung (richterlich).
Dominus litis ist von Hause aus der Kläger; er bestimmt, ob das Verfahren beginnen
und fortschreiten solle. An das Gericht geht die Verfügung über den Fortgang mit dem
Augenblick über, in dem die gerichtliche Untersuchung (Voruntersuchung oder Hauptverfahren)
eröffnet wird (St PO. § 154).
Zweites Kapitel.
Die einzelnen Verfahrensarten.
A. Das regelmäßige Verfahren.
I. Das Vorverfahren.
Literatur: Ortloff, Vorverfahren (1893); v. Kries, Ztschr. f. StRW. Bd. IX S. 1;
Kronecker in ders. Ztschr. Bd. VII S. 395, Bd. X S. 487; Zucker, Über einige Reformen
des VBorwerfahrens (1902).
1. Das Vorverfahren ohne Voruntersuchung.
§ 57.
a) Das Ermittelungsverfahren.
Das Ermittelungsverfahren wird von der Staatsanwaltschaft eingeleitet, wenn sie auf
irgendeine Weise Kenntnis von dem Verdacht einer Straftat erhalten hat (§5 158 St PO.).
Solche Kenntnis kann sie namentlich erhalten durch eine private Anzeige, eine Denunziation