186 Ernst Beling.
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2. Das Vorverfahren mit Voruntersuchung.
Literatur: Ortloff, Vowerfahren (1893); Derselbe, Ztschr. f. Strei#Bd.#11
S. 497; Zucker,. Gerichtssaal Bd. XIVII S. 436; Derselbe, Über einige Reformen des
Socherseline (1902). Bgl. auch die Berhandlun en der Intern. Krimin. Vereini-
gung in ihren Mitteilungen Bd. X S. 533—626 sowie W. Mittermaier das. Bd. XI.
I. Gewisse Strafsachen durchlaufen vor dem in §5 59 erwähnten Gerichtsbeschluß noch
das Stadium der sog. „Voruntersuchung" (§ 176 St PO.).
1. In den zur Zuständigkeit der Schwurgerichte und des Reichsgerichts gehörenden Straf-
sachen ist die vorgängige Führung einer Voruntersuchung anotwendig“, d. h. Prozeßgestal-
tungsvoraussetzung für die Eröffnung des Hauptverfahrens.
2. In Strafkammersachen kann durch jedes der drei Prozeßsubjekte eine Vorunter-
suchung herbeigeführt werden.
In Schöffensachen ist Voruntersuchung unzulässig (abgesehen von § 5 St PO.).
II. Die Voruntersuchung ist bereits eine „gerichtliche Untersuchung“ im Sinne des §# 151
St PO. (oben § 22 ). Ohne Strafklage somit keine Voruntersuchung. Mit Rücksicht auf die
zwei möglichen Stufen der Klage nach § 168 StPO. — oben §8 36 II 1,2, 1II — kann aber der
Hergang nicht bloß der sein,
a) daß die Voruntersuchung auf Grund eines von der Staatsanwaltschaft selbst gestellten
Antrages auf Voruntersuchung eröffnet wird (z5 176—178 St PO.), sondemm auch
b) der, daß die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hatte, aber das Gericht, sei es auf
Antrag des Angeschuldigten, sei es ex oklicio, Eröffnung einer Voruntersuchung an-
ordnet (§# 176, 200 St PO.).
Der Antrag auf Voruntersuchung verfällt der Ablehnung, wenn die Strafverfolgung
überhaupt oder die Voruntersuchung insbesondere unzulässig ist, also eine entsprechende pro-
zessuale Voraussetzung fehlt (das Gesetz — § 178 St PO. — deteilliert dies unnötigerweise
dahin: der Antrag könne nur wegen Unzuständigkeit des Gerichts oder wegen Unzulässigkeit
der Strafverfolgung oder der Voruntersuchung oder weil die in dem Antrage bezeichnete Tat
unter kein Strafgesetz falle, abgelehnt werden; Unzuständigkeit des Gerichts und Nichtbenannt-
sein eines Strafgesetzes begründen eben auch Unzulässigkeit prozessualischen Vorgehens). Da-
gegen kann aus materiell strafrechtlichen Gründen keinesfalls eine Ablehnung erfolgen;
denn ob oder weshalb nicht eine strafbare Handlung vorliegt, soll ja erst die Voruntersuchung
aufhellen; insonderheit hat die Stärke des Verdachts gänzlich ungeprüft zu bleiben (anders
als bei Fassung des Eröffnungsbeschlusses). Das Uberführungsmaterial soll ja erst durch die
Voruntersuchung gesammelt werden.
Zur Eröffnung der Voruntersuchung zuständig ist in allen Fällen der Untersuchungs-
richter (5 182); ablehnen kann dagegen nur das Gericht (5§ 178 S. 2 St PO.). Der Eröffnung
geht jedoch in den Fällen ad b die Anordnung des (beschließenden) Gerichts, daß eine Vorunter-
suchung eröffnet werden solle, voraus. Die Führung der Voruntersuchung liegt prinzipiell
ebenfalls in der Hand des Untersuchungsrichters (Is 182, 184 St PO., §J 60 G.; vgl jedoch
*183 St PO.).
Die Ausdehnung der Voruntersuchung ergibt sich aus ihrem Zwecke: die Nachforschungen
sind bis zu dem Punkte, aber auch nur bis zu dem Punkte durchzuführen, daß sich beurteilen
läßt, ob hinreichender Verdacht der Tat vorliegt oder nicht.
III. Nach geführter Voruntersuchung kann die Staatsanwaltschaft gemäß § 154 St PO.
— oben §5 22 — das Verfahren nicht mehr einstellen; sie hat vielmehr nur die Wahl, ob sie
(abgesehen von dem Antrage auf Ergänzung der Voruntersuchung) Anklage erheben (bzw. in den
Fällen II b die Anklage aufrechterhalten) oder bei dem Gericht die Nichteröffnung des Haupt-
verfahrens beantragen will. Das Gericht beschließt alsdann — gleichviel was die Staatsanwalt-
schaft beantragt hat — in der Weise wie oben + 59 angegeben mit folgenden Modifikationen:
1. Die Einstellung des Verfahrens tritt hier auf als „Außerverfolgungsetzung des Ange-
chuldigten“.