198 Ernst Beling.
Ohne Hauptverhandlung kann es prinzipiell zu einer Sachentscheidung nicht kommen,
ausgenommen zwei Fälle der Freisprechung: eine Freisprechung muß, wenn der Angeklagte
tot ist, und sie kann gegen den lebenden Angeklagten bei Zustimmung der Staatsanwaltschaft
sofort auf Grund des Beweisaufnahmeverfahrens, also ohne Wiedereröffnung, ausgesprochen
werden (# 411).
8 67. IV. Die Strafvollstreckung.
Literatur: Weichert, Grundzüge der Strafvollstreckung (1902); Dalcke und Genz-
mer, Handbuch der Strafvollstreckung und Gefängnisverwaltung (2. Aufl. 1889); Dalcke,
Gefängnisordnung f. die Justizverwaltung in Preußen (1899); Klein, Vorschriften über Ver-
waltung und Strafpollzug in den preußischen Ju baelengalsen, 2. Aufl. (1910); Jastrow
Goltd. Arch. Bd. XXXIII S. 290; Immler, das. S. 162; J. Weber, Bollstreckung von
Vermögensstrafen in den Nachlaß (1900); Kollenscher, Goltd. Arch. Bd. XLVII S. 270.
Die Strafvollstreckung erfolgt nach Eintritt der absoluten Rechtskraft (vorher nur eventuell
Vollstreckungssicherung nach §§. 325, 326 St PO.)z; eine vorläufige Vollstreckbarkeit gibt es im Straf-
prozeß nicht: § 481 StPO. (Eine Ausnahme bildet § 125 Abs. 1 der Seemannsordnung vom
2. Juni 1902). Formale Vollstreckungsvoraussetzung ist eine vom Gerichtsschreiber erteilte,
mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeit versehene beglaubigte Abschrift der Urteilsformel
(F 483). Die zu vollstreckende Strafe bemißt sich nach dem Vollstreckungstitel; doch ist auf eine
zu vollstreckende Freiheitsstrafe unverkürzt diejenige Untersuchungshaft anzurechnen, die der
Angeklagte erlitten hat, seit ihm gegenüber die subjektiv-relative Rechtskraft des Urteils ein-
getreten ist (§ 482).
Regelrecht ist die Strafvollstrechung unverzüglich nach Rechtskraft zu bewirken. Doch
tritt, teils obligatorisch, teils fakultativ, Aussetzung der Vollstrecaung ein, wenn einer der in
485, 487, 488 genannten Strafaufschubsgründe vorliegt.
Vollstreckungsorgan ist die Staatsanwaltschaft (mit Ausschluß der Amtsanwälte) (5 483
St PO.), doch kann durch die Landesjustizuerwaltungen die Vollstreckung in Schöffensachen
den Amtsrichtern übertragen werden (§ 483 Abs. 3). Daß die Vollstreckungsbehörde die
Strafvollstreckung selbst zur Ausführung brächte, ist nicht vorgeschrieben, regelmäßig erfolgt
die Ausführung der Vollstreckung, der „Strafvollzug“, durch besondere Strafvollzugsorgane
(Gefängnisverwaltung, Scharfrichter usw.).
Entscheidungen des Gerichts werden notwendig zur Beseitigung von Zweifeln über die
Grundlagen der Strafvollstreckung (I# 490, 493), zur nachträglichen Substitution einer Frei-
heitsstrafe an Stelle einer nicht beitreibbaren Geldstrafe (§ 491), zur nachträglichen Zurück-
führung der in getrennten Urteilen ausgeworfenen Einzelstrafen auf eine Gesamtstrafe (5 492
St PO.).
Die besonderen Arten des Verfahrens.
I. Privat= und Nebenklage.
1. In ihrer Strafklagefunktion.
8 68.
a) Privatklage.
Biteratur: Gneist, Bier Fragen zur deutschen St PO. (1874), 16 ff.; Binding, Die
drei Grundfragen der Organisation des Strafgerichts (1876); Menzel, Privatklage (1880);
Kronecker, Goltd. Arch. Bd. XXXIII S. 1; Anlage 4 zu den Motiven der Sto##.;
v. Schwarze, Erörterungen aus dem deutschen Strafprozeßrechte (1880) 20 ff.; v. Liszt
Gerichtssaal 1878 S. 187; R. Schmidt, Staatsanwalt und Privatkläger (1891); Simon-
son, Goltd. Arch. Bd. XXXVIII S. 145; Frese, Ztschr. f. StrRW#. Bd. V S. 683; Bd. XII
S. 824: Freudenstein, System der Ehrenkränkungen (1880); Kade, Privatklage (1900);
Thiersch, Anwendungsgebiet und rationelle Gestaltung der Privatklage (1901); Jonas,
Widerklage (1893); Gerland, Systemat. Stellung des Prwatklagevershrens, im Gerichts-
saal Bd. LX S. 157; Debler, Wesen und Wirkungen der Sühneversuchsvorschrift im Privat-
klageverfahren (1907); Breith, Die Widerklage nach § 428 St PO. (1908); Beling, Staats-