Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

200 Ernst Beling. 
lage. Erwägt man, daß die Privatklage in völlig unmotivierter Weise ein privatrechtlich- 
uales Moment in den Strafprozeß hineinträgt, daß die Verfechtung des staatlichen 
Strafanspruchs durch eine Privatperson immer abnorm ist, so wird man der Abschaffung der 
Privatklage um so mehr das Wort reden müsssen, als die vielfach gerühmte Entlastung der 
Staatsanwaltschaft durch die Zulassung der Privatklage auf Kosten der Gerichte und des recht- 
suchenden Publikums erfolgt. Die Gesetzgebung der nächsten Zeit wird indessen wahrscheinlich 
die entgegengesetzte Richtung einschlagen und den Kreis der privatklagefähigen Delikte nicht 
unbeträchtlich erweitern. 
§ 69. 
b) Nebenklage. 
Literatur: Stenglein, Gerichtssaal Bd. XXXV S. 271: Zimmermann' Ge- 
richtssaal Bd. XXXVI S. 4; Oppenheim, Nebenllage (1889); Wolffing, Recht- 
liche Stellung des Nebenklägers (lcoo) Rosenf eld Nebenklage (1900). — S. auch chchlioser , 
Der Adhäsionsprozeß, Kl. Schr. Bd. I S. 555; O frtlo ff. Der Adhäsionsprozeß (1864). 
I. Die Nebenklage in ihrer Funktion als Strafklage ist das Auftreten einer Privatperson 
oder einer Staatsbehörde auf klägerischer Seite neben der Staatsanwaltschaft in einem auf 
öffentliche Klage hin anhängigen Verfahren behufs Betreibung der Bestrafung des Beschuldigten. 
Sie ist nicht eine „Klage“ in dem oben § 36 entwickelten Sinne, da sie die Sache nicht erst 
anhängig macht, sondern sie schon anhängig vorfindet. Immerhin ist sie Betätigung eines, wenn 
auch bedingten und beschränkten Strafklagerechts und nicht bloß, wie öfter angenommen 
wird, eines bloßen Unterstützungs-(Interventions-) Rechts. Denn die nebenklägerischen Prozeß= 
handlungen gewinnen Bedeutung nicht bloß kraft Zustimmung oder Nichtwiderspruchs der 
Staatsanwaltschaft, sondern aus eigener Kraft; der Widerspruch der Staatsanwaltschaft vermag 
sie nicht zu ersticken. 
Das Nebenklagerecht steht zu 
1. jedem Privatklageberechtigten, 
2. demjenigen, der durch ein Klageprüfungsverfahren die Erhebung der öffentlichen 
Klage durchgesetzt hat, wofern die Tat gegen sein Leben, seine Gesundheit, seine Freiheit, seinen 
Personenstand oder seine Vermögensrechte gerichtet war, 
3. dem Prätendenten eines Bußanspruchs (s§ 435, 443 St PO.). 
(Uber den vierten Fall, den der Verwaltungsnebenklage I#s 467 St PO.1 f. unten § 72.) 
II. Der Nebenkläger ist keineswegs, wie manche annehmen, Vertreter des Staates, auch 
nicht bloßer Parteigehilfe (s. oben 1), sondern Kläger neben dem Staat, Zweitkläger, Neben- 
partei, ähnlich dem streitgenössischen Nebeninterwenienten des Zivilprozesses. Seine Rechte 
sind im allgemeinen dieselben wie die eines Privatklägers (s 437 St PO.) (wohingegen ihn die 
St PO. nirgends mit den Pflichten eines Privatklägers belastet). Der Eintritt in die Stellung 
als Nebenkläger vollzieht sich bei einem ursprünglich als Privatkläger Aufgetretenen ipso iure 
in dem Falle, daß die Staatsanwaltschaft die Privatklagesache übernimmt (§5 417 Abs. 3 StPO.); 
sonst erfolgt der Eintritt in diese Stellung durch Anschlußerklärung, auf die hin das Gericht über 
Zulassung oder Nichtzulassung der Nebenklage beschließt (S 436 St PO.). Die Prozedurform 
ändert sich durch den Eintritt des Nebenklägers nicht; es wird in den Formen des Staatsklage- 
verfahrens, nicht des Privatklageverfahrens fortprozediert. 
8 70. 
2. Die Bußklage. 
Bgl. die Literatur zu § 69. Ferner: Otker im Gerichtssaal Bd. LXVI S. 321. 
Den gemeinrechtlichen Adhäsionsprozeß, vermittelst dessen an eine Strafsache eine konnexe 
Ziwilsache angegliedert wurde, hat die StPO. nicht ausgenommen. Für Zivilsachen der Zivil- 
rechtsweg vor dem Zivilrichter, für Strafsachen der Strafrechtsweg vor dem Strafrichter! 
Etwas anderes ist es, daß gewisse zivilrechtliche Ansprüche geradezu zu Teilen einer Strafsache 
erklärt worden sind (oben § 6 IV). Hierher gehört namentlich der Bußanspruch. Diese Ein-
	        
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