Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

204 Ernst Beling. 
Strafbefehl unter dem Vorbehalt mündlicher Einspruchserhebung in einem sofort eventualiter 
anberaumten Hauptverhandlungstermin erledigt werden; daß diese Sachen periodisch und 
miteinander verbunden auf Grund eines feld- oder forstbehördlich geführten Rügeregisters ab- 
gemacht werden; daß ein Beamter der Forstverwaltung usw. die amtsanwaltschaftlichen Funk- 
tionen wahrnimmt; daß die Feld= und Forstschutzbeamten als Zeugen unter Berufung auf ihren 
Diensteid aussagen usw. 
§ 77. Anhang: Die Technik der strafprozessualischen Tatsachenerforschung, 
sog. kriminalpolizeiliche Tätigkeit. 
Literatur: Ortloff, Lehrbuch der Kriminalpolizei (1881); Niceforo, Die 
Kriminalpolizei und ihre biewistenschaften- 1909) H. Groß, Die Erforschung des Sack 
verhalts strafbarer Handlungen (3. Aufl. 1909); Derselbe, Handbuch für Untersuchungs- 
richter (5. Aufl. 1908); Weingart, Kriminaltaktik (1904); Stieber, Praktisches Lehr- 
buch der Kriminalpolizei (1860); Avs-= Lallement, Das deutsche Gaunertum (1858 bis 
1862); Klaußmann, Berliner Gauner (1888); Lindenau „ in der Ztschr. f. Str# Wiss. 
Bd. XXII S. 287, XXIV S. 381; Paul, Handbuch der kriminalistischen Photographie 
(2. Aufl. 1900); Schneickert, Signalementslehre (I. Reiß, Das gesprochene Porträt, 
II. Schneickert, Identitätsfeststellun F ohme Signalement; 1908); Schneickert, Grapho- 
logie, Zschr f. Sir&ij. Bb. XXXII 637; Günther, Das Rotwelsch des deutschen 
Gauners (1905); Weingart, Handbuch für das Untersuchen von Brandstiftun en Wis 
ell, Der Polizeihund als Gehilfe der Strafrechtsorgane (1909); Windt- dièek,. 
aktyloskopie 308 Klatt, Die Körpermessung der Berbrecher nach Verelllor und die 
Photographie als die wichtigsten Hilfsmittel der gerichtlichen Polizei sowie Anleitung zur 
Aufnahme von Fußspuren (1902); Klages, Die Probleme der Graphologie (1910); 
Derselbe,, Prinzipien der Charakterologie (1910; Poppee, Graphologie (1908). — Archiv 
gr# Kriminalanthropologie und Kriminalistik, seit 1898, hrsgeg. von H. Groß. Bgl. auch: Der 
val der Gegenwart, hrsgeg. von Frank, Roscher und Schmidt Cerscheind in fort- 
laufenden Heften). 
I. Die Gestalt, in der ein Lebensvorkommnis, das schließlich als Verbrechensfall abge- 
urteilt wird, zum ersten Male in den Bereich der Wahrnehmung tritt oder sonst die Aufmerk- 
samkeit auf sich zieht, ist häufig nicht so, daß alsbald alle Tatsachen klarlägen, die für ein 
bejahendes oder verneinendes richterliches Urteil erforderlich sind. Sehr häufig liegt von dem 
hypothetischen Verbrechensfall bei der ersten Kunde nur ein Teil der unmittelbar relevanten 
Tatsachen (oben § 40 1 l)zutage (z. B. es ist eine Leiche mit einer Schußwunde aufgefunden worden), 
oder es fehlen diese sogar völlig, und sind nur spärliche Indizien (oben § 40 II 2) aufgetaucht (z. B. 
ein Mensch wird vermißt). Dann ist von der ersten Kunde bis zu dem umfassenden Aufbau der 
tatsächlichen Urteilsbasis ein weiter Weg; es gilt, Schritt für Schritt die erforderlichen er- 
gänzenden Lebenskonkreta dazu zu ermitteln. 
Diese Aufgabe der fortschreitenden Wissenserweiterung fällt in erster Linie und vornehm- 
lich der Polizei zu (vgl. oben § 19 VIII). Die ihr gewidmete Tätigkeit wird daher gewöhnlich als 
kriminalpolizeiliche Tätigkeit bezeichnet. Doch ist diese Bezeichnung nur eine denominatio s potiori. 
Denn die in Rede stehende Tätigkeit ist gegebenenfalls auch von der Staatsanwaltschaft und 
vom Untersuchungs= oder Ermittelungsrichter zu entfalten; auch der erkennende Richter kann in 
die Lage kommen, „kriminalpolizeilich“ tätig zu werden: wiewohl die Strafsache in der Haupt- 
verhandlung von den Ermittelungsanfängen weit entfernt ist, kann doch auch jetzt noch, besonders 
infolge überraschender Wendungen, die Notwendigkeit zum Fortspüren auftreten; endlich können 
auch andere Interessenten veranlaßt sein, gleiche Wege einzuschlagen, so namentlich der Privat- 
kläger, aber auch der Angeklagte (in negativer Richtung, auch zur Ablenkung des Verdachts auf 
andere in positiver Richtung). Das Wesen der Aufspürtätigkeit ist hier überall das gleiche. 
Die kriminalpolizeiliche Tätigkeit ist Objekt rechtlicher Regelung insofern, als ihr überall 
da, wo sie die Interessensphäre anderer Personen als des Forschenden in Mitleidenschaft zieht, 
rechtliche Schranken gezogen sind (vgl. namentlich oben §§ 48—53). Soweit das nicht der Fall 
ist und innerhalb der rechtlichen Schranken handelt es sich dagegen bei ihr nur um die Kunst 
oder Technik der zweckmäßigen Wissenserweiterung. Die Kriminal- 
polizeiwissenschaft ist daher kein Teil, sondern nur eine wenn auch wichtige Hilfswissenschaft 
der Strafprozeßrechtswissenschaft.
	        
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