Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Strafprozeßrecht. 205 
II. Den Inhalt der Kriminalpolizeiwissenschaft bilden Regeln der Lebenserfahrung darüber, 
wie man an einem gegebenen Bewußtseinsinhalt als den Ausgangspunkt neue Kenntnisse 
anzuschließen vermag. 
Um von dem Ausgangspunkt (der Kenntnis des lückenhaften Tatsachenmaterials) zu dem 
Endziel: der Bereitstellung von Beweismitteln auch über die noch fehlenden direkt relevanten 
oder Indiztatsachen für den Urteiler zu gelangen, sind zunächst diese fehlenden Tatsachen als 
Objekt der eigenen Selbstvergewisserung ins Auge zu fassen. Für die Zwecke dieser Selbst- 
vergewisserung lehrt die Erfahrung des Lebens mancherlei: 
1. Sie lehrt Erfahrungszusammenhänge zwischen der gesuchten Tatsache, wenn sie wahr ist, 
und gewissen Begleiterscheinungen oder vor oder nach ihr liegenden Vorgängen oder Zuständen, 
von denen aus auf jene im Wege des Indizienschlusses gefolgert werden kann, so daß es vorteil- 
haft ist, das Augenmerk auf sie zu richten (Lebensgepflogenheiten der Diebe usw.). 
2. Sie lehrt weiter Regelsätze kennen, die zu wissen vorteilhaft ist, um (nicht wie bei 1. 
Folgerungen aus ihnen zu ziehen, sondern) dem Suchen nach Personen (im Sinne ihres 
Habhaftwerdens) oder Sachen Erfolg zu geben (z. B. Kenntnis von Fluchtpraktiken). 
« 3. Sie lehrt namentlich die Methode kunstmäßigen Vorgehens kennen, nach der der 
Suchende zweckmäßigerweise verfährt, um von einem Gegebenen aus weitere Kenntnisse hinsichtlich 
des konkreten Falles zu erlangen, besonders die Werkzeuge, Apparate usw. und die Art und Weise 
ihrer Verwendung. 
4. Sie lehrt endlich — als Gegenstück zu 3. — die Methoden der Wahrheitsverwirrung 
und erschleierung, wie sie von seiten der Täter usw. geübt werden, und deren Unschädlich- 
machung. 
III. Im Dienste der Aufspürtätigkeit kann das gesamte Erfahrungswissen der Menschheit 
von Bedeutung werden. Besonders häufig kommen für die Strafrechtspflege in Betracht: 
1. von anthropologischen Kenntnissen: die Handschriftenkunde, die Kenntnis der Gauner- 
sprache, der Bilderschrift der Bettler usw. (Zinken), der Gestensprache, des Aberglaubens, der 
Eigentümlichkeiten der Zigeuner, der Tatverdeckungstriks, der Praktiken zur Veränderung 
des Aussehens (falscher Bart, falsches Haar usw.), der Simulationen (von Schwerhörigkeit usw.); 
speziell bei Diebstählen die Kenntnis der Kniffe von Taschendieben usw., bei Falschspiel die 
Kenntnis der üblichen Praktiken usw. 
2. Von physikalisch-chemischen Kenntnissen: die Fußspurenkunde (Deutung der Entstehung, 
Rückschlüsse von ihrer Form usw. auf die Person und deren Eigenschaften), Kenntnis des Unter- 
schiedes von Menschen- und Tierblut, Kenntnis des Mechanismus von Schußwaffen; für die 
Erkundung von Gewalttaten an einer Person die Kenntnis der Entstehung von Wunden, von 
Strangulationsmarken, der Einwirkung von Giften; für die Erkundung von Abtreibungen die 
Abtreibungsmittelkunde; für die Erkundung von Diebstählen die Kenntnis von Dietrichen, Pech- 
pflastern, Brechwerkzeugen, zigeunerischen Wurfangeln usw. 
IV. Techniken, die für die kriminalistische Aufspürtätigkeit wertvoll sein können, sind 
namentlich die Anthropometrie, insbesondere die Bertillonage; die Fingerabdruckverwertung 
(Daktyloskopie); die Abrichtung und Verwendung von Hunden (Polizeihunden); das Skizzieren, 
Modellieren, Photographieren; das Abformen, Abklatschen von Fußspuren mit Gips usw.; 
das Verfahren zur Konservierung von Leichenteilen, Blutspuren usw.
	        
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