Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 217 
Die Frage des Ineinandergreifens militär- und gemeinstrafrechtlicher Rechtssätze ist leider 
immer noch eine der umstrittensten, was u. a. auf die wenig glückliche Fassung der 88 2 und 3 
zurückzuführen ist. Nach § 2 „finden diejenigen Bestimmungen, welche nach den Vorschriften 
des deutschen StGB. in Beziehung auf Verbrechen und Vergehen allgemein gelten, auf mili- 
tärische Verbrechen und Vergehen entsprechende Anwendung“. Eine frühere Auslegung wollte 
unter den „allgemein geltenden Bestimmungen“ nur die einleitenden Bestimmungen und die 
Bestimmungen des allgemeinen Teils des StGB. gelten lassen; die herrschende Lehre (val. 
Plen B. RM. 1, 134) versteht darunter mit Recht auch die Bestimmungen, die für eine besondere 
Art von Verbrechen und Vergehen gelten. Richtig ist die Auslegung, daß unter den allgemein 
geltenden Bestimmungen des StGB. nichts anderes als das gemeine Strafrecht zu verstehen 
ist, daß § 2 lediglich die allgemein gültigen Vorschriften des StGB. den Sondervorschriften 
des M. gegenüberstellen will. Die weitere Schwierigkeit bringt der Ausdruck „entsprechende 
Anwendung“ des § 2. Das RM#. 1, 134 versteht darunter die der Disziplin entsprechende. 
Das preußische MStG#B. hatte allgemein in § 2 EG. bestimmt, daß bei der Anwendung der 
Landesgesetze die militärischen Dienstverhältnisse zu berücksichtigen seien. Es muß ein Grund. 
vorhanden gewesen sein, von dieser eindeutigen Bestimmung abzugehen; man hat ihn darin 
zu sehen, daß das M. als solches, was ja seine Aufgabe war, die militärischen Anforderungen 
in allen seinen Teilen gebührend berücksichtigt hat, so daß die entsprechende Anwendung des 
gemeinen Strafrechts nichts anderes ist als die mit den geltenden Bestimmungen des M. ver- 
einbare. Nur diese Auslegung kann juristisch befriedigen; wichtige Schlußfolgerungen z. B. 
zur Frage der Notwehr s. B 1 4au; 
b) das Militärstrafrecht vom Militärdisziplinarstrafrecht. An 
dieser Stelle ist nur zu erwähnen, daß gewisse mil. Vergehen in leichten Fällen vom Disziplinar- 
vorgesetzten disziplinarisch mit Arrest geahndet und damit der gerichtlichen Bestrafung entzogen 
werden können (§ 3 EG. MStGB., 157 MSt GO.). Im übrigen s. nachf. B 1 1 und unter 
Disziplinarstrafrecht. 
B. Allgemeiner Teil. 
I. Die verbrecherische Handlung. 
1. Wegen des Begriffs des Verbrechens (im weiteren Sinne) ist auf das gemeine Straf- 
recht zu verweisen. Auch das M. spricht von „strafbarer Handlung“. 
a) Die strafbaren Handlungen des M. sind militärische Verbrechen oder 
militärische Vergehen. Entscheidend sind Strafart oder die Höhe der Strafe (§ 1); 
militärische Übertretungen gibt es nicht. Die Bestrafung leichter militärisch bedeutsamer Ver- 
fehlungen, die nicht unter die Übertretungen des gemeinen Strafrechts fallen, vermittelt das 
militärische Disziplinarstrafrecht (s. d.). 
Die Scheidung in militärische Verbrechen und Vergehen führt nach § 2 M. zur Herüber- 
nahme aller Lehren des gemeinen Strafrechts in das Militärstrafrecht, nach denen Verbrechen 
und Vergehen verschieden zu behandeln sind (Versuch, Verjährung usw.). 
Man unterscheidet eigentliche (rein) militärische und uneigentliche militärische 
Straftaten; jene können begrifflich nur von Militärpersonen begangen werden (z. B. 5§s 64, 69, 117: 
unerlaubte Entfernung, Fahnenflucht, Abhalten von der Beschwerdeführung). Diese haben ihre 
Grundform im gemeinen Strafrecht, sind aber für den Fall, daß eine Militärperson sie begeht, 
zu militärischen Straftaten gestempelt (Beisp.: § 138, militärischer Diebstahl und militärische 
Unterschlagung). 
Die Unterscheidung hat systematischen, aber auch — entgegen Weiffenbach — 
rechtlichen Wert; vgl. B 1 3ce. 
b) Das M. verweist häufig auf Strafvorschriften des gemeinen Strafrechts. 
In diesen Fällen ist nach herrschender Lehre zu untersuchen, ob der Sitz der Strafdrohung im M. 
enthalten ist. Aber gerade diese Frage ist in vielen Fällen bestritten, z. B. bei § 145 1. Wird 
1 Nach richtiger Lehre sind die Amtsverbrechen der Soldaten (145 M.) militärische Verbrechen 
und Vergehen; Weiffenbach, Militärrechtliche Erörterungen S. 57; ebenso Rotermund
	        
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