Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 233.— 
gezogen werden. Die sächsische MStEO. vom 4. Nov. 1867 stimmt mit der 
preußischen fast vollständig überein; die württembergische vom 20. Juli 1818 in 
Verbindung mit der Allgemeinen Kriegsdienstordnung vom 7. Febr. 1858 und der AO. vom 
11. Juni 1877 beruhte auf ähnlichen Grundlagen. Sie alle zeigen das gerichtsherrliche System 
(Verbindung der Kommandogewalt mit der Gerichtsgewalt). Ganz abweichend die bay- 
rische MStG#. vom 29. April 1869 in ihrer durch die Gesetze vom 28. April und 27. Sept. 
1872 und vom 18. Aug. 1879 veränderten Fassung, mit möglichstem Anschluß an das bürgerliche 
Strafverfahren (öffentliches, mündliches Verfahren, freie Beweiswürdigung, Geschworenen- 
bank, Zurückdrängung des militärischen Elements). 
Das Verlangen, der bewaffneten Macht des Reiches neben dem Militärstrafrecht auch 
ein einheitliches und neuzeitliches Strafverfahren und eine einheitliche Gerichtsverfassung zu 
geben (vgl. 5 39 Mil G.), führte nach langen Vorarbeiten am 30. Nov. 1897 zur Vorlage des 
Entwurfs einer MStG., eines Einführungsgesetzes und eines Gesetzes, betr. die Dienstver- 
gehen der richterlichen Militärjustizbeamten und ihrer unfreiwilligen Versetzung in eine andere 
Stelle oder in den Ruhestand. Der Entwurf suchte möglichst Anlehnung an das bürgerliche 
Strafverfahren bei gleichzeitiger Wahrung der als notwendig erachteten besonderen militäri- 
schen Anforderungen. Im Ausbau der Gerichtsverfassung lehnt er sich an die preußischen Ein- 
richtungen an. Gleiches gilt für wichtige Teile des Verfahrens, besonders für die Stellung des 
Gerichtsherrn. Der Reichstag überwies den Entwurf einem Ausschuß von 21 Mitgliedern. 
Die aus den Beratungen hervorgehenden Abänderungen waren nicht zahlreich (Kommissions- 
bericht). Am 4. Mai 1898 wurde der Entwurf vom Reichstage angenommen. Veröffent- 
lichung: 1. Dez. 1898; das Gesetz trat am 1. Okt. 1900 in Kraft. Ergänzend sind u. a. zu be- 
achten: 
1. die Ausführungsbestimmungen (Marine 26. 3. 00; Preußen AKpO. v. 28. 12. 99/26. 3.00, 
KrMin. v. 2. 1. 00; Bayerm V. v. 28. 4. u. 17. 9. 00, KrMin. v. 4. 5. u. 26. 10. 00; 
Sachsen KO. v. 15. 1. 00, KrMin. v. 19. 1. O0; Württemberg KO. u. Min. v. 30. 
3. 00; 
2. Kais. V. v. 28. 12. 99 a) über die Strafrechtspflege beim Heere in Kriegszeiten; 
b) über das außerordentliche Verfahren gegen Ausländer und die Ausübung der 
Strafgerichtsbarkeit gegen Kriegsgefangene; 
3. V. über das strafgerichtliche Verfahren gegen Militärpersonen der Kaiserlichen Schutz- 
truppe v. 18. 7. O0 mit AB. vom 23. 7. 00, unter Aufhebung dieser Bestimmungen 
neu geregelt durch V. v. 2. 11. O09 und A. v. 6. 11. 09 (RGBl. S. 943, 954); 
4. Gesetz, betr. die militärische Strafrechtspflege im Kiautschougebiet v. 25. 6.1900 (Rel. 
S. 304), Gültigkeit verlängert durch Ges. v. 21. 12. 06; über gerichtsherrliche Befugnisse 
AB. v. 28. 5. 00 (MVl. S. 189); 
5. RGes. v. 9. 3. 99, betr. den bayrischen Senat beim RM.; 
6. Allerh. Erl. über die Geschäftsordnung beim Disziplinarhof des R##lG. v. 20. 1. 02; 
Geschäftsordnung für die Disziplinarkammern im Bereich der preußischen Militär- 
justizuerwaltung v. 2. 1. 00 (AMVBl. S. 12); 
7. Geschäftsordnung des Reichsmilitärgerichts v. 13. 3. 09 (Allerh. bestätigt, Zentral Bl. 
09 S. 110). 
Ziffer 2. Zur Auslegung der MSt. 
Es gelten die allgemeinen Auslegungsregeln für Gesetze. Soweit es, um Ausdrucksweise 
und Sinn des Gesetzes zu erforschen, erforderlich ist, auf seine Entstehungsgeschichte zurück- 
zugehen, ist bei der MStGO. besonders zu beachten, daß ihre Vorschriften wesentlich auf zwei 
und dabei grundverschiedene Wurzeln, auf die geltende Strafprozeßordnung für das Reich 
(es sind ganze Teile von ihr und auch vom GVG. übernommen) und auf die Preußische Militär- 
strafgerichtsordnung zurückzuführen sind; die letztere darf, was bisher nicht genügend beachtet 
worden ist, als das eigentliche Vorbild angesprochen werden.
	        
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