Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

240 Heinrich Dietz. 
bei der niederen Gerichtsbarkeit wird die Wahrnehmung der Geschäfte des Gerichtsschreibers 
geeigneten Personen des Soldatenstandes übertragen. 
5. Stand--, Kriegs= und Oberkriegsgerichte; ihre Besetzung 
und Zuständigkeit. Die erkennenden Gerichte sind sämtlich, das R. eingeschlossen, 
Mehrheitsgerichte (Kollegial-) und, vom Standgericht abgesehen, das nur aus Offizieren besteht, 
aus Offizieren und Juristen gemischte Gerichte (Schöffensystem, aus dem Grunde besonders 
bewährt, weil die Offiziere sachverständige Laien sind); sie sind (vom Reichsmilitärgericht ab- 
gesehen, das seiner besonderen Stellung wegen unter Ziff. 6 behandelt wird) nicht ständig und 
beweglich und treten nur für den Einzelfall auf Berufung des Gerichtsherrn (bei Generalen 
usw. des Kontingentsherrn oder Kaisers) zu der von ihm festgesetzten Zeit und an dem von ihm 
bestimmten Orte zusammen. 
Ihreörtliche Zuständigkeithängt von der des Gerichtsherrn ab, s. oben Ziff. 5 1 1. 
Die erkennenden Gerichte sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (§ 18, 1);, selbständige 
Befugnisse ergeben sich aus dem Grundsatz der materiellen Wahrheitserforschung, § 298, 3. 
Bei den Gerichten höherer Ordnung wird grundsätzlich zwischen Vorsitz (Offizier) und Führung 
der Verhandlung (Jurist) unterschieden. Der Vorsitzende hat die Ordnung in der Sitzung auf- 
rechtzuerhalten, der Verhandlungsführer hat die Sachleitung (Näh. Ziff. 26); über Ausschließung 
und Ablehnung von Gerichtspersonen s. ##§s 122—134. Entscheidungsbefugnis des Gerichtsherrn 
außerhalb der Hauptverhandlung bei Ablehnung von Kriegsgerichtsräten und Gerichts- 
offizieren: 130. 
a) Standgerichte (& 38—48) bei der niederen Gerichtsbarkeit; mit drei Offizier- 
richtern besetzt. Stabsoffizier Vorsitzender und Verhandlungsführer, ein Hauptmann (Ritt- 
meister, Kapitänleutnant) und ein Oberleutnant (Oberleutnant zur See) als Beissitzer, als ständige 
Richter mit ständigen Stellvertretern vom Gerichtsherrn für die Dauer des Geschäftsjahres 
(Kalender-) bestimmt und beeidigt. Ersatzrichter für den Einzelfall können befohlen 
werden. 
Sachliche Zuständigkeit: ausschließlich Gerichte erster Instanz für die niedere 
Gerichtsbarkeit; dürfen neben Einziehung nur auf Freiheitsstrafe bis zu 6 Wochen und Geld- 
strafe bis zu 150 Mk. erkennen (gilt auch für den Fall des Zusammentreffens mehrerer Straf- 
taten; erforderlichenfalls verweisen sie die Sache an die zuständige Stelle, § 330. Im Felde 
und an Bord Erweiterung der Zuständigkeit, s. Ziff. 37. 
b) Kriegsgerichte (Schwerpunkt des ganzen Verfahrens, s5 49—64) bei den Divi- 
sionen usw., besetzt mit 5 Richterm, 1 oder 2 Kriegsgerichtsräten, sonst Offizierrichter der ver- 
schiedensten Dienstgrade je nach Rang des Angeklagten (Regel: Kriegsgerichtsrat als Verhand- 
lungsführer, Major als Vorsitzender, Hauptmann und zwei Oberleutnants als Beisitzer) der 
Regel nach berufen nach einer alljährlich vom Gerichtsherrn festzustellenden Reihenfolge, von 
der nur aus dringenden Gründen (ob sie dringend waren, prüft das Revisionsgericht nicht nach) 
nach Entscheidung des Gerichtsherrn abgewichen werden darf. Ist der Angeklagte ein Sanitäts-, 
Veterinäroffizier, Beamter usw., so werden Standesgenossen mit als Richter berufen (hierzu 
RMM. 16, 282, dag. Arch Mil R. 4, 209 ff.). 
Sachliche Zuständigkeiti#ausschließlich Gerichte erster Instanz für alle dem Stand- 
gericht entzogenen Strafsachen (eingeschlossen die im bürgerlichen Verfahren dem R. als alleiniger 
Instanz überwiesenen Sachen); als Berufungsgericht gegen die Urteile der Standgerichte und 
als Rechtsbeschwerdeinstanz und Beschlußgericht in einigen Fällen. 
c) Oberkriegsgerichte (&# 65—70) bei den Generalkommandos usw., besetzt 
mit 7 Richtern, davon 2 Oberkriegsgerichtsräte (der Dienstälteste führt die Verhandlung), die übri- 
gen Offiziere (Regel: ein Oberstleutnant als Vorsitzender, zwei Majors, ein Hauptmann, ein 
Oberleutnant). Wie bei den Standgerichten werden für die Dauer des Geschäftsjahres ständige 
Offizierrichter und Stellvertreter bestimmt. Abweichende Besetzung bei Sanitäts- usw. Offi- 
zieren, Beamten; vgl. vorsteh. b. 
Sachliche Zuständigkeit: Berufungsgerichte gegen die Urteile der Kriegs- 
gerichte; Rechtsbeschwerdeinstanz und Beschlußgericht, besonders auch im Falle des § 97, 3 
(s. oben unter II 1b#).
	        
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