Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 241 
Ziffer 6. Das Reichsmilitärgericht. 
Als Organ des Gerichtsherrn läßt sich das Ro##. (s5 71—92), eine Reichsbehörde, 
nicht bezeichnen, mag auch der Gerichtsherr bei ihm als dem obersten Gerichtshofe 
des Reiches sich das Urteil darüber holen, ob die von ihm angefochtene Entscheidung 
auf einer Gesetzesverletzung beruhe (399 ff.). Immerhin weist auch diese Einrichtung auf 
den das Militärstrafverfahren beherrschenden Grundgedanken der Kommandogewalt hin: 
seine Spitze, der Präsident, ist ein vom Kaiser ernannter General mit verwaltender Tätig- 
keit, der dem Oberreichsmilitäranwalt in bestimmten Grenzen Anweisungen erteilen kann (105) 
und seinerseits an die Auffassung des Obersten Kriegsherrn gebunden ist. Ihm ist von den 
Kontingentsherren (ausgenommen Bayern) ausnahmsweise (bei prozeßerledigenden Entschei- 
dungen) das Bestätigungsrecht übertragen, das im übrigen, wie überhaupt bei mehreren In- 
stanzen, dem Befehlshaber der zweiten Instanz zufällt; seine Stellung ist dadurch zu einer 
gerichtsherrnähnlichen gestaltet. 
Das RIG. ist ein ständiges Gericht mit dem Sitze in Berlin-Charlottenburg und gliedert 
sich in Senate aus 7 Mitgliedern (3 oder 4 Juristen; im übrigen Offiziere, die mindestens im 
Range von Stabsoffizieren stehen und auf mindestens zwei Jahre berufen werden); Senats- 
präsident und räte sind Juristen. Der Vorsitz fällt einem Offizier zu. Vereinigung zum Plenum 
ist vorgesehen, u. a. auch, wenn ein Senat in einer die bürgerlichen Strafgesetze angehenden 
Rechtsfrage von einer Entscheidung der vereinigten Strafsenate des RG. abgehen will. Bayern 
hat auf Grund des RGes. vom 9. März 1899 einen besonderen Senat. Das RM. hat eine 
besondere Reichsmilitäranwaltschaft, bei der der Oberreichsmilitäranwalt Träger 
des Amtes ist. Er und die Reichsmilitäranwälte sind nichtrichterliche Militärbeamte und 
werden, wie der Senatspräsident und die Räte (Ausnahme für Bayern), vom Keaiser auf Vorschlag 
des Bundesrats ernannt. Die Stellung des Oberreichsmilitäranwalts zum Präsidenten des 
N#l. ist schon berührt. Der Geschäftsgang des RM. ist durch eine Allerhöchst bestätigte 
Geschäftsordnung vom 13. Febr. 1909 geregelt. 
Sachliche Zuständigkeit des RM#.: Revisionsgericht gegen Urteile der Ober- 
kriegsgerichte; Rechtsbeschwerdeinstanz; allein entscheidendes Gericht im Wiederaufnahme- 
verfahren. — Bei der Reichsmilitäranwaltschaft wird die Kriminalstatistik für Heer und Marine 
aufgestellt. 
Ziffer 7. Die Militärjustizverwaltung. 
Ihr steht die Aufsicht über die Ausübung der Militärstrafgerichtsbarkeit zu. Sie wird 
ausgeübt von den Kriegsministerien der vier Königreiche, ferner nach den Militär- 
konventionen vom Militärdepartement in Mecklenburg-Schwerin, dem Militärkollegium in 
Mecklenburg-Strelitz; in der Marine vom Reichskanzler (Reichsmarineamt), für das Reichs- 
militärgericht und die Reichsmilitäranwaltschaft vom Präsidenten des RM., 112f. 
Nach der Begründung ist es nicht ausgeschlossen, daß sich die Kriegsministerien usw. zur 
Auslbung ihrer Befugnisse anderer Organe bedienen. — In die Leitung eines militärgericht- 
lichen Verfahrens kann die M. nicht eingreifen (ugl. wegen des Verhältnisses zur Kommando- 
gewalt der Gerichtsherren § 24, oben Ziff. 5 1 3). Zum Aaussichtsrecht gehört die Über- 
wachung der regelmäßigen Geschäftsführung der Gerichte, Entscheidung über Beschwerden, 
auch über verweigerte Rechtshilfe im Rechtshilfeverkehr der Militärgerichte untereinander, 
E. § 11, Bereitstellung der Gerichtsräume und dienstlichen Mittel, Dienstprüfungen, Beauf- 
sichtigung der sittlichen Führung der MilJustizbeamten, die der M. z. T. unmittelbar ohne Zwischen- 
gliederung unterstellt sind! (ihrer sittlichen Führung wegen aber auch der Disziplinarstrafgewalt 
ihres Gerichtsherrn und nach Vf. des KM. vom 29. Juli 1901 auch des diesem übergeordneten 
Gerichtsherrn unterworfen sind), Befugnis nach Ges. v. 1. Dez. 1898, den richterlichen Militär- 
justizbeamten wegen geringer Dienstvergehen eine Mahnung zu erteilen und im übrigen das 
förmliche Disziplinarverfahren und die vorläufige Dienstenthebung anzuordnen. 
Verwaltungsvorgesetzter der Kr GRäte ist jetzt der dienstaufsichtführende Ob Kr GRat; vgl. 
Ziff. 5 II 1a (S. 238). 
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band V. 16
	        
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