242 Heinrich Dietz.
Eine eigenartige, halb aufsichtsartige, halb instanzartige Einrichtung, ganz aus dem Geiste
des Untersuchungsverfahrens geboren, ist die Nachprüfung der rechtskräftigen Urteile und Akten.
durch die Kriegs- und Oberkriegsgerichtsräte und durch das RM#., § 113, 114 1.
Zweiter Abschnitt.
Der Beschuldigte und seine Verteidigung.
Ziffer 8.
Dem Gerichtsherrn als Träger der Gerichtsbarkeit steht der Beschuldigte (Angc-
klagter nach Bekanntgabe der Anklageverfügung) allein gegenüber. Die ihm auferlegten
Pflichten (Pflicht, vor Gericht zu erscheinen, sich gerichtliche Zwangsmittel, z. B. Vorführung,
Durchsuchung, Beschlagnahme, Festnahme, Verbringung in eine Irrenanstalt, gefallen zu lassen)
sind im wesentlichen dieselben wie im bürgerlichen Strafverfahren; teilweise wurzeln sie schon
allein in der Unterwerfung unter die Kommandogewalt. Die Pflicht zur wahrheitsgemäßen
Aussage hat der Beschuldigte prozeßrechtlich nicht. Der Untersuchungsgrundsatz (s. Ziff. 9)
ist insoweit verlassen; vgl. R. 11, 95.
Die materielle Verteidigung ist gegenüber der St PO. im allgemeinen be-
schränkter. Das Recht auf Anwesenheit bei Augenschein und vorweggenommenen eidlichen
Vernehmungen von Zeugen usw. gilt nicht allgemein (S§ 165, 4 u. 5, 271); ein selbständiges
Antragsrecht im Ermittlungsverfahren gilt nur ausnahmsweise (§ 222); die Beteiligung an
der Herbeischaffung von Beweismitteln für die Hauptverhandlung ist durch Antragsbefugnisse
ersetzt (§ 269, 299). Beachtenswert ist die gegentber der St PO. neue Bestimmung, daß der
Beschuldigte über das Ergebnis der Ermittlungen gehört werden muß. Den Gefahren, die der
freien Entschließung des Beschuldigten im Hinblick auf das Gewicht der militärischen Befehls-
und Gerichtsgewalt drohen, begegnet der Fürsorgegedanke, der besonders in dem (erweiterungs-
fähigen) Grundsatze der Belehrung des Beschuldigten über wichtige prozessuale Rechte erscheint
(§ 177, 256, 1—3, 275, 3, 295, 327, 3 u. 5, 342, 351, 3, 394, 2), vgl. § 382, 404 (s. unter
Berufung, Revision, Ziff. 32 u. 33).
Auch der formellen Verteidigung:, 337—348, sind die Schranken enger
als im bürgerlichen Strafverfahren gezogen; im standgerichtlichen Verfahren ist sie überhaupt
unzulässig, § 337, 2 (unerhebliche Ausnahme §5 217); ebenso im Ermittlungsverfahren, 337, 1;
vgl. hierzu 165, nach dem bei vorweggenommener Einnahme des Augenscheins und Vernehmung
von Zeugen usw. der Verteidiger (d. h., wenn der Beschuldigte einen namhaft macht; der bei
Verbrechen von Amts wegen notwendige Verteidiger wird vom Gerichtsherrn im Ermittlungs-
verfahren nicht bestellt, §s 337, 338) zu benachrichtigen ist. — Als Verteidiger können außer
Offizieren (auch des Beurlaubtenstandes, daher auch Rechtsanwälte mit dieser Eigenschaft),
Kriegsgerichtsräten, Assessoren und Referendaren, die bei Militärgerichten beschäftigt werden
und nicht richterlichen oberen Militärbeamten die von der obersten Militärjustizverwaltung
(widerruflich) zugelassenen Rechtsanwälte auftreten; bei bestimmten strafbaren Handlungen
des gemeinen Rechts auch jeder bei einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt mit Zu-
stimmung des Gerichtsherrn. Die Zustimmung darf verweigert werden, wenn eine Gefährdung
militärdienstlicher Interessen oder der Staatssicherheit zu besorgen ist. Rechtsbeschwerde geht
ohne Hemmung des Verfahrens an die oberste Militärjustizverwaltung. Es sind bestellte und ge-
wählte Verteidiger zu unterscheiden; bestellt werden Verteidiger bei Verbrechen (Ausnahme
338, 2), oder wenn Gerichtsherr oder Gericht es für sachgemäß halten. Ein bestellter Verteidiger
kann nicht von einem andern vertreten werden; die Bestellung gilt nach herrschender Lehre
(R#-G. 2, 8, 6, 63) nur für die Instanz; für die Revisionsinstanz wird die beim Oberkriegsgericht
erfolgte aber wirksam sein, vgl. 408, 409. Die prozessualen Rechte des Verteidigers sind im
wesentlichen dieselben wie nach der StPO. Fragerecht an Zeugen usw. in der Hauptverhand-
lung nur durch Vermittlung des Verhandlungsführers.
: Siehe unter „Militärjustizverwaltung" (Rissom) im HandwMil .
* Beol. Grimm, Die Verteidigung im deutschen Strafpro Ml #miuiterhrawversahren ein-
geschlossen); „Berteidigung vor Militärgerichten“ (Engel) im Ha