Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

262 Heinrich Dietz. 
Entbehrliche Zeugen und Sachverständige brauchen nicht geladen zu werden; die Geladenen 
sind dem Angeklagten namhaft zu machen; im übrigen ist er darauf hinzuweisen, daß er 
die Ladung solcher Zeugen usw., die auch in der Berufungsinstanz vernommen werden 
sollen, rechtzeitig beantragen müsse, widrigenfalls die Verlesung der über ihre Aussagen auf- 
genommenen Protokolle auch ohne seine Zustimmung zulässig sei. Neue Beweismittel sind 
zulässig; auf benannte Beweismittel ist Rücksicht zu nehmen. Mit Zustimmung des Angeklagten 
kann u. U. in seiner Abwesenheit verhandelt werden. An die Stelle der Verlesung der Anklage- 
verfügung tritt die Berichterstattung durch den Verhandlungsführer; es folgt die Vernehmung 
des Angeklagten zur Person, danach die Beweisaufnahme. Das Berufungsgericht prüft ent- 
sprechend der Anfechtung. Völlige Nachprüfung, auch der Straffrage (Tat= und Rechtsfrage) 
bei Anfechtung der (unteilbaren) Schuldfrage oder der prozessualen Voraussetzungen. Bei 
Anfechtung lediglich der Straffrage ist die Schuldfrage rechtskräftig; grundlegend PlB. RM6. 
8, 115. Die Straffrage gilt grundsätzlich als teilbar RMG. 10, 216; alle in der logischen Reihen- 
folge nach dem angefochtenen Punkt liegenden Entscheidungen sind mit angegriffen. 
Ziffer 33. Die Revision (5§8 397—415). 
Die Revision ist gegen die Urteile der Oberkriegsgerichte zulässig, außer wenn es sich um 
üÜbertretungen oder ausschließlich mit Arrest bedrohte militärische Vergehen handelt (vgl. dazu 
PlE. RM. 7, 43, dagegen Gerland Gerichtssaal 73, 341 f.; weit. Lit. Rissom, Arch MilR. 
4, 142 ff.). Einlegung und Rechtfertigung binnen einer Woche nach Verkündung des Ur- 
teils. Der Angeklagte kann sich jedoch (was als Ausnahme gedacht war, aber begreiflicher- 
weise die Regel geworden ist, ähnlich wie bei der Berufung) über die Rechtfertigung später zu 
Protokoll eines Kriegsgerichtsrats vernehmen lassen; der Verteidiger kann nur insoweit mit- 
wirken, als er vorher den Angeklagten belehrt und ihm einen Entwurf über die abzugebenden 
Erklärungen zur Benutzung bei der Vernehmung in die Hand gibt. (Erschöpfende Vernehmung 
nach Einsicht der Akten, Belehrung über das Wesen der Revision, Erörterung der in Frage 
kommenden Punkte an der Hand von Protokoll und Urteil RNM. 4, 192, PE. 2, 69). Das 
Revisionsverfahren ist ganz ähnlich dem der St PO. behandelt. Den anfechtbaren Rechtsnormen 
sind militärische Dienstvorschriften und militärdienstliche Grundsätze gleichgestellt. Ein neuer 
unbedingter Revisionsgrund ist oben Ziff. 2 erwähnt. Die Fälle, in denen das Revisions- 
gericht selbst erkennt, sind gegenüber der St PO. beschränkt. Verweisung an ein anderes Ober- 
kriegsgericht als dasjenige, das erkannt hat, ist leider nicht vorgesehen 1. 
Sechster Abschnitt. 
Die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 436—499.) 
Ziffer 34. 
I. Auch hierzu herrscht im wesentlichen Ubereinstimmung mit der StPO. Wichtige Ab- 
weichungen: Auch die falsche uneidliche Aussage kann zur Wiederaufnahme führen. Neue 
Tatsachen und Beweismittel müssen dartun, daß der Verurteilte unschuldig ist, oder wenigstens 
daß kein begründeter Verdacht mehr gegen ihn vorliegt; vgl. § 1 des Ges. v. 20. Mai 1898 (unter II). 
Das Antragsrecht dauert auch nach Erlöschen der Militärstrafgerichtsbarkeit fort. Der Antrag 
wird beim Gerichtsherrn erster Instanz gestellt. Uber seine Zulassung entscheidet allein — ein 
bedeutsamer Fortschritt gegenüber der Stp O. — das RM.; wird der Antrag an sich als 
zulässig befunden, so veranlaßt das RMG. die Aufnahme der angetretenen Beweismittel durch 
Ersuchen an einen Gerichtsherrn oder Amtsrichter. Zeugen und Sachverständige müssen be- 
eidigt werden, soweit es zulässig ist. Eine Entscheidung ohne Hauptverhandlung ist auch mög- 
lich, wenn der Verurteilte unheilbar geistig krank ist (es genügt, daß Verhandlungsfähigkeit 
für unbestimmte Zeit in Frage gestellt wird, selbst wenn Heilung in fernerer Zeit möglich ist, 
R#M. 16, 30). 411, 2 St PO. ist nicht übernommen. 
1 Bgl. Iudex suspectus (Dietz) 8St W. 28, 129 ff.; auch Militärrechtliche Studien (Festschrift 
zum 1. 10. 10, hrsg. von Steidle) S. 116 f.
	        
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