Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

264 Heinrich Dietz. 
II. Zur Gerichtsverfassung. Die Gerichte heißen Feld- und Bordstandgerichte, 
Feld- und Bordkriegsgerichte. Ihre Zuständigkeit wird in sachlicher und persönlicher Hinsicht 
erweitert; vgl. z. B. § 1 Z. 1, 8; 95 Z. 4 M.; 38 B Mil G. Die niedere Gerichtsbarkeit ist 
ausgedehnt, § 15, 3; 16 Z. 1, 3; 47, 63. Oberkriegsgericht und Reichsmilitärgericht scheiden 
als erkennende Gerichte aus; der Sitz des RM. kann verlegt werden. Die Besetzung der 
Feld- usw. Stand= und Kriegsgerichte ist vereinfacht; äußerstenfalls können an die Stelle von 
Juristen auch Offiziere, an die Stelle von angestellten Gerichtsschreibern kann jede geeignete 
Person treten. Kriegs- und Oberkriegsgerichtsräte sind frei versetzbar; vgl. § 31 R„DG. vom 
1. Dez. 1898. 
III. Zum Verfahren. Von einem schriftlichen Ermittlungsverfahren kann abgesehen 
werden; jedenfalls ist es zu kürzen und zu beschleunigen 3 170. Uber Beschlagnahme und Durch- 
suchung s. § 239, 4, Leichenöffnung 224, 4. Gewisse Rechte des Beschuldigten sind verkürzt, 
vgl. 224, 4, 348. Unwichtige Nebenfälle sollen nicht zur Anklage gezogen werden, 253, 1; keine 
Anklageschrift; keine Mitteilung der Anklageverfügung an den Verhafteten, Wegfall der Ein- 
lassungsfrist für das Feld-(nicht Bord-yverfahren 266, 4; Vereinfachung der Ladung und Gestellung, 
267, 3; keine Rechtsbeschwerde gegen die das Gesuch um Wiedereinsetzung verwerfende Ent- 
scheidung, 149, 4. 
IV. Bestätigung (# 419—435). Die Urteile werden durch die Bestätigung rechts- 
kräftig und vollstreckhkar. Das Bestätigungs- und Aufhebungsrecht sind der früheren preuß. 
MStGO. entnommen und unmittelbare Ausflüsse der obersten kriegsherrlichen Gewalt; sie 
ersetzen die Rechtsmittel und bezwecken neben den vereinfachten Formen des Verfahrens die 
rasche Herbeiführung einer rechtskräftigen Entscheidung. Die Entscheidungen der Gerichte sind 
reine Gutachten ohne Bindung des zur Bestätigung berufenen Befehlshabers. Wer das Recht 
haben soll, Urteile zu bestätigen oder aufzuheben, bestimmt der Kaiser. Beide Rechte müssen 
nicht in der Person desselben Befehlshabers vereinigt sein; für das Bordverhältnis s. AKO. 
vom 28. Mai 1900. Vor der Entschließung über die Bestätigung muß der Gerichtsherr den ver- 
urteilten Angeklagten darüber vernehmen lassen, ob und welche Beschwerden er gegen das 
Urteil hat; er kann auch eine Vervollständigung der Untersuchung befehlen; der Bestätigung 
muß bei der höheren Gerichtsbarkeit in bestimmten schweren Fällen eine Begutachtung des 
Urteils (in leichteren Fällen kann sie) vorausgehen. Die Bestätigung ist in nicht geeigneten 
Fällen zu versagen (u. a. auch, wenn im Rechtsgutachten wesentliche Bedenken tatsächlicher 
oder rechtlicher Art erhoben worden sind) und das Urteil aufzuheben; wenn der mit dem Be- 
stätigungsrecht versehene Vorgesetzte und der zur Aufhebung Berufene verschiedene Personen 
sind, so werden dem letzteren die Akten gesandt; er entscheidet nach Einholung eines weiteren 
Rechtsgutachtens, ob das Urteil aufzuheben oder dem Gerichtsherrn zur Erteilung der Bestäti- 
gung zurückzusenden sei. Im Falle der Aufhebung ist ein neues Gericht — durch einen anderen 
Gerichtsherrn — zu berufen, dessen Richter bei der früheren Hauptverhandlung nicht mitgewirkt 
haben dürfen, oder es kann die Erledigung der Sache im ordentlichen Verfahren (Aufschub) 
verfügt werden. Ubertritt des Beschuldigten in einen immobilen Verband, Demobilmachung 
hat Uberleitung in das ordentliche Verfahren zur Folge. War schon ein Urteil ergangen, so 
kann es noch bestätigt werden. Bei Versagung der Bestätigung ist das Urteil dem Angeklagten 
nach dessen Ubertritt in den immobilen Verband usw. bekanntzumachen. Von diesem Tage 
läuft die Berufungsfrist. 
V. Die Bestimmungen der M. werden ergänztt: 
1. durch die Kais. V. v. 28. 12. 1899 über die Strafrechtspflege bei dem 
Heere in Kriegszeiten (Vorschriften über Gerichtsverfassung, Bestätigungsrecht, Recht 
der Milderung und der Aufhebung von Urteilen) 
2. durch die Kais. V. v. 28. 12. 1899 über das außerordentliche kriegsrecht- 
liche Verfahren gegen Ausländer und die Ausübung der Straf- 
gerichtsbarkeit gegen Kriegsgefangene. 
  
1 Hierzu, wie Überhaupt zu Ziff. 37, s. Dietz, Taschenbuch des Militärrechts für Kriegszeiten.
	        
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