Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 257 
handlung und Beleidigung Untergebener, Beschädigung usw. von Dienstgegenständen, Ver- 
letzung der Dienstpflichten auf Wache und ähnliche, Trunkenheit im Dienst, Verletzung von 
Geheimhaltungspflichten usw. im militärischen Strafverfahren. 
Man bezeichnet diese Vergehen als Disziplinarvergehen (§ 1 Ziff. 2 DStO. 
und Mar DStO.). Der DiszVorgesetzte darf sie im Disziplinarwege erledigen, wenn er nach 
pflichtmäßigem Ermessen dafür hält, daß ein leichter Fall vorliege. Er tritt sonach an die 
Stelle des Richters; das gerichtliche Verfahren fällt weg, die Grundsätze über die Ausübung 
der Disziplinarstrafgewalt greifen Platz (s. Ziff. 7 unter a und b), doch ist als Strafmittel 
nur der Arrest des MStG#B., bei Beschränkung des Strafmaßes im Sinne der DötO. 
(s. Ziff. 5 II 4 a) zulässig; an das anwendbare materielle Strafrecht (z. B. Gesamtstrafe nach 
8 74 RStGB., 54 MSt G., Verjährungsgrundsätze, fermner & 22 Abs. 3 MSt GB.), ist er dabei 
gebunden; es herrscht Straszwangs; vgl. § 147 MStE#. 
Durch fehlerfreie Ahndung eines DVergehens auf dem Disziplinarwege wird die gericht- 
liche Strafverfolgung ausgeschlossen (§ 157, vgl. 250, 251 MStGO., §F 45, 55 DStO., 55, 74 
MarDSt. 
II. a) Wie schon aus Ib zu entnehmen ist, ist die Arreststrafe (Arten s. Ziff. 5 II 4 a) 
dem MSt# B. und den DStp.en gemeinsam; auch bei Dülbertretungen (la) ist sie zulässig; 
dagegen kennen die DSt O.en die Strafmittel der reinigenden Disziplin des MStG#B.: Versetzung 
in die zweite Klasse des Soldatenstandes, Degradation, Dienstentlassung, Entfernung aus dem 
Heere (s. Militärstrafrecht B. II 2) nicht. Es überwiegt im Dötrafrecht der Gedanke der Er- 
ziehung und der Besserung, doch kommt der Abschreckungsgedanke bei den ernsteren Straf- 
mitteln zum Vorschein; zwei Strafmittel (Einstellung in die Arbeiterabteilung, Entfernung 
vom Dienstgrad des Gefreiten oder Obermatrosen) gehören allerdings der reinigenden Disziplin 
an; im übrigen stehen der Kommandogewalt beim Offizierstande ehrengerichtliche Strafen 
(s. Militärische Ehrengerichtsbarkeit), bei Berufssoldaten die Kündigung der Kapitulation zur 
Verfügung. 
Mit Hecker ist zu betonen, daß die Militärgerichte die disziplinären Gesichtspunkte scharf 
ins Auge zu fassen und dafür zu sorgen haben, daß durch ihre Tätigkeit die im allgemeinen 
fehlende reinigende Disziplin in vollem Maße Ersatz finde. Ergänzend müßten die richter- 
lichen MilJustizbeamten zur vollen verantwortlichen Beratung ihrer Gerichtsherrn in allen 
disziplinären Fragen, die gerichtliche Untersuchungen mit sich bringen, amtlich berufen werden. 
b) Die Grenzlinien zwischen dem Kriminal- und Disziplinarstrafrecht der Personen des 
Soldatenstandes sind schwankend. Nach älteren Militärstrafgesetzbüchern waren Disziplinar- 
übertretungen, die im Rückfall begangen wurden, als militärische Vergehen zu bestrafen 
(Bay. MSt G#B. v. 29. 4. 1869 Art. 128, 200; Ost. StGB. v. 15. 1. 1855 §F 269 fg.; vol. 
#& 177, 189 Preuß. MStGB. v. 3. 4. 45). Das MStG#B. für das Deutsche Reich hat ähn- 
liche Bestimmungen nicht. Doch wird durch § 92 (93) MSt GB., der den Ungehorsam gegen 
einen Befehl in Dienstsachen unter Strafe stellt, in freilich unzulänglicher Weise zwischen 
Kriminal- und Disziplinarstrafrecht vermittelt. Stellt der Disz Vorgesetzte Disziplinarübertretun- 
gen unter sein Gebot oder Verbot, so kann er gerichtliche Bestrafung nach § 92 (93) MSteGB. 
und u. U. auch die Ehrenstrafe der Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes (§ 38 
MSt.), daneben Einstellung in die Arbeiterabteilung (s. Ziff. 5 II 1) erreichen (häufig 
ist z. B. das Verbot des Besuchs von Schankstätten als Maßnahme in Fällen der Trunkenheit). 
Das Mittel ist unvollkommen, wozu auch die Gegensätze in der Auslegung des § 92 (s. Militär- 
strafrecht C 1 4) beitragen 1. 
Ziffer 4. Persönlicher Umfang der Disziplinarstrafgewalt. 
Der Dötp. unterstehen (§ 2): 
aà) die Militärpersonen des Heeres und der Marine, das sind die Personen des Soldaten- 
standes und die Militärbeamten, vgl. § 4 MStGB. Beide Unterarten zerfallen wieder in 
  
1 Lit.: Hecker, Über das Verhältnis des Zivilstrafrechts zum Milttärstrafrecht, Aufsatz II, 
Berl. 1885; M. E. Mayer DJIZ. 1907 S. 851; vgl. Dietz, DöSt. 12 fg. 
engnepähie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band V. 17
	        
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