Militärstrafrecht und Militärstrafverfahren. 267
R b n au die deutsche Land- und Seemacht und die Berufspflichten des Offiziers, 3. A
erlin 1911.
farth, Inhalt und Form, das Buch vom Offizier, Wien 1910.
ruberg, Die Frage der Ehrengerichte, Wien 1903.
orwin-Dzbanski, Offiziersstandesehre, Wien 1907.
v.
Auf
Ste
v. K
Ziffer 1. Wesen und Zweck des ehrengerichtlichen Verfahrens.
Die Ehrengerichtsverordnungen dienen der Pflege der bewährten Uberlieferungen
ritterlichen Sinnes im Offizierstande; die Ehrengerichte sollen die gemeinsame Ehre des
Standes und die Ehre des einzelnen wahren und schützen (Bestrafung des Schuldigen,
Reinigung des unbegründet Verdächtigten). Die Standesgenossen selbst sollen in erster
Linie darüber urteilen, ob die Ehre des Standes oder des einzelnen gefährdet oder verletzt
ist; ihr Urteil ist freilich nach heutigem Recht nur noch ein Gutachten. Der oberste Ausleger der
Offizierstandesehre ist der König (Kaiser).
Ziffer 2. Quellen.
UÜber verletzendes Verhalten eines Kameraden hatten die Offiziere eines Regiments
erstmals nach der AV. v. 3. Aug. 1908 wegen Bestrafung der Offiziere (Pr. Mil Ges. S. 1, 64)
zu entscheiden; sie konnten mit Dreiviertelmehrheit ihn des „Avancements für unfähig“ er-
klären. Es folgten Bestimmungen für die Landwehrbataillone in der Landwehrordnung vom
21. Nov. 1815 (Mil Ges. S. 1, 113); weitere Fortbildung durch AV. v. 15. Febr. 21 über das Ver-
fahren bei den Ehrengerichten (ebd. S. 175, 210: festere Gestaltung. Spruch nur Gutachten,
endgültige Entscheidung beim König) und besonders durch die AV. über Ehrengerichte v. 10. Juli
1843 (M.G. S. 3, 90: Die Grundzüge des heutigen Verfahrens trotz zahlreicher Abweichungen
schon deutlich erkennbar; der Spruch soll nach V. des KM. v. 5. Nov. 43 nicht mehr aufgehoben
werden; er ist also entscheidendes Urteil der Standesgenossen). Es folgen die Ehr V. für die
Offiziere im preußischen Heere vom 2. Mai 74, durch die bekannte prächtige Einleitungsorder
Kaiser Wilhelms I. eingeleitet, am 2. Nov. 75 die Ehr V. für Offiziere der Kaiserl. Marine, er-
neuert 26. Juli 1895, solche für die Schutztruppenoffiziere am 15. Juni 97, für die Sanitäts-
offiziere des Heeres am 9. April 01, ver Marine am 3. Juni 01; daneben zahlreiche Sonder-
bestimmungen in Ehrengerichtssachen.
Die heute geltenden Bestimmungen sind für Offiziere und Sanitätsoffiziere des Heeres
am 15. Juli 10, für die Offiziere der Marine am 13. Mai 11, für die Sanitätsoffiziere der Marine
am 24. Okt. 11, die bayr. Ehr V. für Offiziere und Sanitätsoffiziere sind am 27. Febr. 11 neu gefaßt
worden. Die preußischen Verordnungen für das Heer sind wörtlich in Sachsen und Württemberg,
mit geringen, fast nur sprachlichen Abänderungen in Bayern eingeführt.
Daneben ist von Bedeutung die für alle Offiziere und Sanitätsoffiziere geltende AKO.
v. 1. Jan.u1897, die sog. Ergänzungsorder der Einführungsorder zum Ehr V.) sie bezieht sich auf
Ehrenhändel der Offiziere und Sanitätsoffiziere und hat ihren Vorläufer in der Pr. V.
v. 10. Juli 1843 über die Bestrafung des Zweikampfes unter Offizieren.
Ziffer 3. Rechtliche Natur der Ehr V.
Die Ehr V. sind als Armee-= und Marinebefehle, nicht als Disziplinarverordnungen auf-
zufassen. In Preußen sind sie nicht gegengezeichnet. Gesetzliche Grundlage ist Art. 46 der
Pr. Verf. Die Ehr V. sind Dienstbefehle an die Offiziere und enthalten keine eigentlichen Rechts-
vorschriften. Es besteht deswegen doch kein Grund, sie vom Begriff Rechtspflege ganz los-
zulösen; mittelbar dienen sie auch der Disziplin.
Jiffer 4. Abgrenzung vom Disziplinarstrafrecht.
Scharfe Grenzlinien fehlen. Es gibt Handlungen, die allein disziplinär, und solche, die
allein ehrengerichtlich beurteilt zu werden verdienen; schließlich solche, die beiden Strafgewalten
unterfallen. Wenn die Grenze zweifelhaft ist, ist die Disziplinarstrafe zu wählen, um die
gewichtige Bedeutung eines ehrengerichtlichen Spruches nicht herabzudrücken.