Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

296 ulrich Stutz. 
bunden und gleich der weltlichen Strase noch im 4. Jahrhundert durchaus vindikativ (poena), 
fühnbar geworden 1, um dann, vielleicht infolge der augustinischen Lehre von der Unauslöschlich- 
leit der Taufe, wahrscheinlicher aber weil der auf ein einförmiges Zwangschristentum sich 
stützende Staat kein außerkirchliches Dasein mehr zuließ, und nicht zuletzt, weil der Ausschluß 
aus der Reichslirche die ganze bürgerliche Existenz mit vernichtet hätte, allmählich zum bloßen 
Entzug der kirchlichen Mitgliedschafts rechte unter Belassung der Pflichten sich umzu- 
gestalten. Für das Versahren :, das für Bischöfe (salls nicht der Kaiser eingriff) in erster, 
für Geistliche und Laien in zweiter Instanz vor der Provinzialsynode sich abspielte, galt als 
Regel das römische Anklageprinzip 3, jedoch mit Abweichungen und Ausnahmen (Offizial- 
verfahren bei Osfenkundigkeit). 
Hinschius, Kr. IV K 244—248, 250, 253—258; Loening, Geschichte I 382 ff., II 
448 ff.; Triebs, Studien zur lex Dei 1, 1905, II, 1907; Böckenhoff, Die voômische Kirche 
und die Speisesatzungen, Th. O. LXXXVIII, 1906; Weber, A history of Simony in the Christian 
Church from beginning to the death of Charlemagne, 1909; Wasserschleben, Die Buß- 
ordnungen der abendländischen Kirche, 1851; Schmitz, Die Bußbücher und die Bußdisziplin der 
Kirche, 1883, Die Bußbücher und das kanonische Bußverfahren, 1898; P. Fournier, Ektudes 
sur les pénitentiels, Revue d’histoire et de littérature religieuses VI—IX, 1901—1904, Les 
capitula de Pseudo-Théodore et le décret de Burchard de Worms, Floril. Melchior de Vogüé, 
1909; v. Hörmann, über die Entstehungsverhältnisse des sog. Poenitentiale Pseudo-Theodori., 
Mélanges Fitting, 1907. Bußbücherstudien, 8." f. RG. I, 1911, II, 1912, III, 1913; v. Nostitz- 
Rieneck, Halitgars Bußordnung, Z. f. k. Th. XIII, 1889; Zettinger, Das Poenitentiale 
Cummeani, A. f. k. Kr. LXXXII, 1902; Gillmann, Eine Würzburger Dacheriana, A. f. k. 
rm“ 5r 1907; Ludwig, Die Bußstationen in der abendländischen Kirche, A. f. k. Kr. 
, 1903. 
§ 14. Der Bischof und die Einzelkirche. 
Die Möglichkeit körperschaftlicher Betätigung, bei der Bildung der Kirche eine Haupt- 
triebkraft, entfällt für die Mitglieder der bischöflichen Anstaltskirche unter dem wachsenden Einfluß 
des Römertums immer mehr: der Bischof, ein gewaltiger Herr ist eben jetzt ganz und gar die 
Kirche. Und sein Tun und Lassen wird allein durch das kirchliche Interesse, d. h. Zweckmäßig- 
leit, geleitet, schon weil es für die Entwicklung eines eigentlichen Diözesanrechts in dieser Zeit 
an dem ersorderlichen Gegengewicht gebricht. 
Stutz, Eigenkirche (6é 7)); Loening, Geschichte II 220 ff. 
Er, der Bischof (zuerst am Ende des 4. Jahrbunderts: divina gratia episcopus,), 
versügt also innerhalb der Diözese, deren Gesetzgeber er ja in Nachwirkung dieser Auf- 
sassung bis auf den heutigen Tag geblieben ist, allein über die Kirchenordnung, und 
zwar so, daß er, der fast unbeschränkte Inhaber der kirchlichen Strasfgewalt, sogar eine 
arbiträre Strassatzungsbefugnis (auch mit Exkommunikation als Strafmittel) besitzt. Er ist 
fermer der Gerichtsherr der Diözesanen in kirchlichen Dingen und ihr Richter (von Konstantin 
bis 398, später wenigstens ihr geduldeter Schiedsrichter) auch in weltlichen Rechtsstreitigkeiten 
(ohne Oberinstanz). 
Hinschius, Kr. IV K# 249, 250; Loening Geschichte 1 103 ff., 252 ff.; Graden- 
witz, Die Unstimmigkeiten von Valentinians Nov. XXXV de episcopali judicio, Festschrift f. 
Gierke, 1911; Schmitz, Devotionsformeln (§ 12). 
So sind denn die Laien, deren Lebensbeziehungen in zunehmendem Maße in den Bann 
der Kirche gezogen werden (Ansänge eines kirchlichen Eherechtes: Ordnungsvorschrift des kirch- 
lichen Verlöbnisses und der Eheeinsegnung, Verbot der Schwäger- sowie der weltlichen und 
geistlichen Verwandtenehe, der zweiten Ehe und derjenigen mit Juden), und die noch in die 
1 Der Ausschluß für immer oder bis zur Todesstunde verschwindet allmählich. 
: Bei Selbstanzeige und Geständnis war eine Bestrafung auch ohne ein solches möglich. 
* Gratian 376 (I. 23 cod. Theod. 16, 2): qui mos est causarum civilium, idem in negotiis 
ecclesiasticis obtinendus est. 
*Origenes klagte schon um 250, die Bischöfe behandelten Geistliche und Laien wie die Fron- 
vögte Agyptens die Söhne Israels.
	        
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