Kirchenrecht. 301
Stud. u. Mitt. aus dem Wiener kirchengesch. Sem., 7. H., 1911; I; Thaner, Anselmi collectio
canonum I, 1906; Wolf v. Glanvell, Die Kanonessammlung des Kardinals Deusdedit 1,
1905; Sdralek, Wolfenbüttler Fragmente, 1891.
Von einer radikal-lirchlichen Gegenströmung geht neben den Fälschungen des Benedilt
Levita (um 847) und der capitula Angilramni (über Kleriker-, besonders Bischofsanklagen)
namentlich aus die um 850 im Westfrankenreich angefertigte, 865 von Nikolaus I. zitierte Samm-
lung der Dekretalen (und Konzilien) 1 des Pseudoisidor (Isidorus wegen Benutzung der Isi-
doriana — 8 10 —, Mercator wegen des bei der Fälschung der Vorrede zugrunde gelegten,
dem 5. Jahrhundert angehörigen Marius Mercator). Ihre Bedeutung für diese Periode ist
übrigens gering; dem fränlischen Staatslirchentum und überhaupt der Laienherrschaft in der
Kirche, gegen die sie sich richtet, tut sie wenig Abbruch, und für das Papsttum, dessen Hervor-
kehrung dem Fälscher selbst nur Mittel zum Zweck ist, wird sie erst später ein wertvoller Rechts-
titel der Weltherrschaft.
Seckel, Studien zu Benediktus Levita I—VII, NA. XXVI, 1900, XXIX, 1904, XXXI,
1905, XXXIV, 1909, XXXV, 1909, 1910; HIinschius, Decretales Pseudoisidorianae, 1863;
Maassen, Pseudeisidorische Studien 1, 2, Wiener Ak. S. B., phil.-hist. Kl., CVIII, CIX, 1884/5;
v. Simson, Die Entstehung der pseudoisidorischen Fälschungen in Le Mans, 1886, und in H. Z.
LVIII, 1892; Lurz, Über die Heimat Pseudoisidors, 1898, und dazu Gietl, im H. Jb.
XX, 1899; Fournier, Etude sur les fausses décrötales, R. h. e. VII, 1906 (auch sep.); Lot,
Etudes sur le regne de Hugues Capet, These, 1903, La question des fausses décrétales, R. b.
XIV, 1907; Villien, Les fausses décrétales, Dict. de théol. cath., IV, 1908; Seckel,
Pfeudoisidor, Hauck-Herzogs Realenzykl. " XVI, 1905 (wo auch reiche Literatur), Statuta Bonifatii,
N. A. XXIX, 1904, Die ältesten Canones von Rouen, Hist. Aufs. f. Zeumer, 1910. Über Hink-
mar von Reims sowie Nikolaus I. und Pseudoisidor: Weizsäcker, Z. f. hist. Th. XXVIII,
158, und Lea in Papers of the American society of church history VIII, 1897; A. V. Müller,
Zum Verhältnis Nikolaus' I. und Pseudoisidors, N. A. XXV, 1900; Schrörs, Papst Nikolaus I.
und Pseudoisidor, H. Ib. XXV, 1904, Die pseudoisidorische exceptio spolü bei Papst Nikolaus I.,
H. Ib. XXVI, 1905; Perels, Zur Frage nach dem Verhältnis zwischen Nikolaus I. und Pseudo-
isidor, N. A. XXX, 1905, Ein Berufungsschreiben Papst Nikolaus I., N. A. XXXII, 1907.
8§ 18. Das Eigenkirchenwesen.
1. Die Eigenkirche. Zuerst und am wirlsamsten trug die Eigenkirche germanisches
(nicht bloß deutsches = westgermanisches) Recht in die Kirche hinein. Es ließ? aus dem Eigen-
tum an einer Kirche, d. h. am Altargrund, eine volle, grundsätzlich unbeschränkte, vermögens-
rechtliche und geistliche Herrschaft entspringen. Allen (ost- und west-)germanischen Stämmen
(auch den nordischen Heiden) bekannt und dadurch sowie durch seinen Baus den Ursprung in
den einfachen Verhältnissen der urgermanischen Hausordnung (5 7) verratend, regt sich das
Eigenkirchenwesen bei jedem einzelnen Stamm sofort nach dessen Eintritt auch in die katholische
Kirche, indem es dem Bischof zugunsten des Grundherrn den wirtschaftlichen Ertrag der Kirche
sowie die ihm im Westen bisher nicht bestrittene Ermennung des Geistlichen zu entwinden sucht.
Bei den meisten ehemaligen Arianern vom katholischen Episkopat mit Erfolg niedergelämpft
(westgotischer Kompromiß nach Art des späteren Patronats), aber von den Langobarden in
gewohnter rücksichtsloser Nichtachtung der Hierarchie kurzerhand durchgesetzt, behauptet es sich
bei den direkt vom Heidentum zum Katholizismus übergehenden, für die weitere abendländische
1 Die echte, offizielle Zitierquelle des altkirchlichen Rechtsstoffs ist seit 774 die damals von
Hadrian I. an Karl den Großen überreichte Dionysio-Hadriana.
* Im Gegensatz zur byzantinischen Kaisergesetzgebung, die nur auf die Stiftung abstellte und,
lediglich um deren Durchführung eher zu erreichen, dem Stifter und dessen Erben eine gewisse
Fürsorge und die Befugnis zubilligte, den Geistlichen als den Verwalter der Stiftung vorzu-
schlagen; Zhishman, Das Stifterrecht, 1888; Cotlarciuc, Stifterrecht und Kirchen-
patronat im Fürstentum Moldau und in der Bukowina, Stutz, Kr. A., 47. H., 1907.
: Kirche, Kirchengut und kirchliche Einkünfte erscheinen als Zubehör des Altars, und zwar
seit der UAnwendung des Veräußerungsverbots darauf als eisernes. Ein Hinzutritt kann nur durch
Übereignung — germanische Zweckschenkung — an den Herrn für dieses sein örtliches Sonder-
vermögen (in Bayern als dessen res ecclesiastica — Gegensatz: popularis oder saecularis possessio
des Vetreffenden — bezeichnet) erfolgen; Stutz, Das Eigenkirchenvermögen, Festschrift f.
ierke, 1911. -