Kirchenrecht. 305
wendung fanden, selbst bei gewissenhafter Verwaltung, durch das Kleriker- und Kirchenviertel
dem König mindestens eine Erleichterung seiner Besoldungs= und Kultuslast. Nach längerem
Bemühen und Kampf gegen die bis dahin ängstlich gewahrten Rechte der alten, einst bischöf-
lichen Kirchen erreichten auch die übrigen Grundherren 818/19 als Gegenleistung für gewisse
Auflagen (5 20, 1) das Zehntrecht für ihre entsprechenden Kirchen und damit eine bei an-
wachsender Bevölkerung immer reicher fließende Einnahmequelle, die zur Kolonisation durch
Kirchgründung geradezu anspornte. Ubrigens haben die Laien auch vermittelst des Lehens-
rechtes selbst bischöfliche und Klosterzehnteen an sich zu bringen gewußt; kaum eröffnet, wurde
die reiche Einnahmequelle des Zehnten der Kirche alsbald wieder entwunden.
Loening, Geschichte II 676 ff.; Stutz, Benefizialwesen I 58 17, 18, Das karolingische
Zehntgebot, 8.“ f. RG. XXIX, 1908; Brandileone, A proposito dell’ultimo canone del
concilio Foroiuliano, 1905; Loy, Der kirchliche Zehnt im Bistum Lübeck, Kieler phil. Diss., 1909;
Viard, Histoire de la dime ecclésiastique, principalement en France jusqu'au décret de
Gratien, These, 1909; Perels, Die kirchlichen Zehnten im karolingischen Reiche, Berliner
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Tangl, Forschungen zu Karolinger Diplomen, Arch. f. Urlundenforsch. II, 1910, Zum Osna-
brücker Zehntstreit, Hist. Aufs. f. Zeumer, 1910; Philippi, Forst und Zehnte, Arch. f. Urkunden-
forsch, II, 1910, Zehnten und Zehntstreitigkeiten, M. d. J. f. ö. G. XXXIII, 1912; Lesne, Ia
dime des biens ecclésiastiques aux 9e et 10 siecles, R. h. e. XIII, 1912, XIV, 1913; v. Inama-
Sternegg, Deutsche Wirtschaftsgeschichte, 1 e, 1909, II, III 1, 2, 1891—1901; Lamprecht,
Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter, 3 Bde. in 4 Teilen, 1885—86; Dopsch, Die
käinischaftkentw#nn der Karolingerzeit vornehmlich in Deutschland I, II, Weimar, 1912/3; val.
it. zu .
8 19. Die Dezentralisation des Bistums.
Der Germanismus veranlaßt oder fördert wenigstens die Unterteilung der ehemals ein-
heitlichen Diözese.
1. Die Landpfarrei. Ochne eine gewisse Abstufung der kirchlichen Anstalten und
ihrer Geistlichkeit war die kirchliche Versorgung des platten Landes durch Außenstationen der
Kathedrale auf die Dauer nicht durchführbar. Schon 506 unterschied das westgotische National-
lonzil zu Agde von den schlichten Basiliken und Oratorien (nachmals tituli scil. minores) die Haupt-
oder Taufkirchen (ecelesiae oder plebes baptismales), in denen an Sonn= und Festtagen der
ordentliche Gemeindegottesdienst statifand 1, und von deren Vorstehern (archipresbyteri etwa
seit 650) zu Ostern (und Pfingsten) getauft wurde. Und zu Ende des 7. Jahrhunderts ist in
Gallien und Spanien, ja selbst im bistumsreichen Italien der Grund zu einer umfassenden
ländlichen Seelsorgeorganisation gelegt. Da unterbricht das Eigenkirchenrecht, die Taufkirchen-
ordnung sprengend (deshalb seither nur ausnahmsweise ein Zusammenhang der neuen Psarrei
mit dem weltlichen Bezirt) oder sie (nicht in Italien) sich alsbald unterwersend, die Entwidlung
und gibt ihr eine neue Wendung. Zumal nach dem Erwerb des Zehnten (5 18, 3), der auch
unter Karl dem Großen eine bessere, wennschon noch lange nicht durchgreifende Sprengel-
abgrenzung veranlaßt, wird das Pfarrecht durchaus als Gerechtsame gefaßt. Durch bischös-
lichen Bann (5 21, 1) begründet und den weltlichen Gewerbebann= und Zwangsrechien ver-
wandt, soll es jetzt vor allem der grundherrlichen Kirche die Kundschaft und damit die Einnahme
sicherm, eine Entwicklung, welche die Bischöfe nicht bloß mit gefördert, sondern auch für ihre
Kirchen fruchtbar gemacht haben.
atch-Harnack, Grundlegun 9); Hinschius, Kr. II § 90,I!; Loening,
Geshict- (5 „ ar. Ercho u ung çze # kchn 2 o 6. z5 13, 38; Stut,
Benefizialwesen I # 4, 5, 14, Art. Pfarrei in Hauck--Herzogs Realencykl. : XV, 1904; Imbart
de la Tour, Les paroisses rurales, 1900 (dazu Stutz, Gött. GW 1904 Nr. 1); Vacandard,
Un éveque mérovingien (8-Ouen) R. d. h. LXIX, , S.-Victrice de Rouen, 1903; War i LT 83.
Les origines de l'égliso do Tournai, Löwener Diss., 1902; Gos s es, Morowingiseh en Karolingisch
Utrecht, Bijdragen voor vaderlandsche rrchiecen IVreeks D IX, 1910; Zorell, Die Entwicklung
des Parochialsystems, A. f. k. Kr. LXXXII, 1902; W. Schulte, Die Entwicklung der Parochial-
: Bezeichnender Übergangssprachgebrauch: parochi — Bistum, aber auch — ländliche
Hauptkirche; dioecesis = Landkirche, aber auch = Bistum; vgl. Stolz, llapott#la, parochia
und parochus, Th. Q. LXXXIX, 1907, Zur Geschichte des Terminus parochus, Th. O. XCV,
1913, und Stug, Parochus, Z. f. RG. I, 1911, II, 1912, III, 1913.
Enzyklopädie der Rechtswissenschaft. 7. der Neubearb. 2. Aufl. Band V. 20