Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

306 ulrich Stutz. 
verfassung in Schlesien im Mittelalter, Zeitschr. f. Gesch. Schlesiens XXXVI, 1902; Jostes, Die 
mühstersche Kirche vor Liudger, Zeitschr. f. vaterl. Gesch. u. Altert. von Westfalen LXII, 1904; 
Gasquet, Parish life in mediaeval England, 1906; Hatschek, Englische VG. (5 18, 1) 
S. 147 ff., 262 ff. Böttger, Diözesan= und Gaugrenzen Norddeutschlands, 4 Bde., 1875—76; 
Falk, Die dedicatio und terminatio ecelesiae im 8. bis 11. Jahrhundert, A. f. k. Kr. LXXXI, 
1909; Brandi, Gött. G. A. 1908, Nr. 1 u. Zeitschr. d. Hist. Ver. f. Niedersachsen, 1909; 
Flach, Les origines de D’ancienne France III, 1904 p. 100 ss.; Pirchegger, Die Pfarren 
als Grundlage der politisch-militärischen Einteilung der Steiermark, A. f. ö. G. CII, 1913. 
2. Stadtpfarrei und Stift. Die römisch-kirchliche Ordnung, auf dem platten 
Lande durch das Eigenkirchenwesen und die damit verbundenen Neuerungen beseitigt, behauptet 
sich noch geraume Zeit in der Bischofsstadt. Ihre Geistlichen sind bestellt und leben den kano- 
nischen Vorschriften gemäß (canonice — Gegensätze: regulariter, b. h. österlich und incanonice, 
d. h. wie der unbotmäßige Eigenkirchenklerus — vivere), haben ihren Namen canoniei aber doch 
wohl von dem Verzeichnis, canon oder matricula, in das sie wie die von der Kirche unterstützten 
Witwen und Armen eingetragen sind. Durch eine Art mönchischer Organisation (für Metz: 
Regel des Bischofs Chrodegang um 760, für das ganze Frankenreich die darauf sußende Aachener 
Regel von 816) wird insbesondere der Stadtklerus zum Kapitel (capitulum, capitulares vom 
kapitelweisen Vorlesen der Regel), an der Domkirche zum Dom= oder Kathedralkapitel (cano- 
nicus — Domherr oder kapitular) mit dem Propst, praepositus (dem bisherigen bischöflichen 
Archidiakon), und seit ca. 850 mit dem Delan, decanus (dem früheren bischöflichen 
archipresbyter = Ersten der Priester), an der Spitze, an anderen größeren Stadtlirchen zum 
Stifts= oder Kollegiatlapitel (canonicus — Stifts= oder Chorherr) mit entsprechenden Vorsteherm. 
In diesen Stiftskirchen wurde, indes die Kathedrale weiterhin für Pfarrhandlungen der ganzen 
Diözese offenstand, regelmäßig der städtische Pfarrgottesdienst gehalten. Die Stiftspröpste, 
später in ihrer Vertretung die Kustoden, besorgten die Pfarrseelsorge in den seit dem 9. Jahr- 
hundert nachweisbaren städtischen Kollegiatparochien, während die übrigen Kanoniker wochen- 
weise den Gottesdienst versahen (bebdomadarü) und den Chordienst in den horae canonicae 
verrichteten, eine Doppelsunktion, für die bisweilen Doppellirchen eingerichtet wurden. Trotz 
des Bestrebens, das nachmals das Reformpapsttum betätigte, sie in Benediktinerinnenklöster zu 
verwandeln, behaupteten sich im Süden, namentlich aber im Westen Deutschlands und in den 
angrenzenden französischen Gebieten zahlreiche Kanonissenstifter (mit zugehörigem Kanoniker- 
lapitel), deren Vorsteherinnen, Abtissinnen, weil mit Diakonissenweihe versehen und zum Klerus 
(Diözesansynoden) gehörig, zur Ehelosigkeit verpflichtet waren, indes die Stiftsdamen, nach dem 
eigenen Statut lebend und zum Chordienste verbunden, jederzeit austreten und sich verehelichen 
konnten. 
Hinschius, Kr. II ### 80, 90 III;Luchaire, Manuel Fz' 32, 39; Werminghoff, 
BG. 1 38; Chrodegangi Metensis episcopsfi ... regula canonicorum, ed. Schmitz 1889; 
Ebner, Zur regula canonicorum des heil. Chrodegang, R. Q. V, 1891; Werminghoff, 
Die Beschlüsse des Aachener Konzils von 816, N. A. XXVII, 1902; Doll, Die Anfänge der alt- 
bayerischen Domkapitel, Münchener theol. Diss., 1907 (auch in Deutinger u. Schlecht, Beitr. 
z. Gesch. d. Erzbist. München X); Schäfer, Pfarrkirche und Stift im deutschen Mittelalter, 
Stutz, Kr. A., 3. H., 1903, Frühmittelalterliche Pfarrkirchen und Pfarreinteilung in römisch- 
fränkischen und italienischen Bischofsstädten, R. Q. XIX, 1905, Die Kanonissenstifter (oben § 5 
und dazu Levison, Westdeutsche Zeitschr. XXVII, 1908), Kanonissen und Diakonissen (5 5); 
Beyerle, Geschichte des Chorstifts und der Pfarrei St. Johann zu Konstanz, 1908; Macei, 
Le vicinie di Bergamo, 1884; Liebe, Die kommunale Bedeutung der Kucchspiele in den 
deutschen Städten, 1885; Falk, Zur Geschichte der Pfarreinteilung in den Städten, A. f. k 
Kr. LXVIII, 1892; vgl. auch die Lit. zu § 30, 4 und 31, 1, und Stolz, Th. O. Tolll, 
1911, S. 323 f. 
3. Dekanate, Archipresbyterate, Archidiakonate. Der Untergang 
der merowingischen Baptismalorganisation und das Nebeneinander von zahlreichen Land- 
pfarreien macht, zunächst im Wesifrankenreich 1, in karolingischer Zeit eine Zusammenfassung 
zu Dekanaten (mit Kalendarkapiteln) unter Dekanen nötig, während in Deutschland vorerst 
ein neuer Chorepistopat 2 und ein jüngerer Landarchipresbyierat (an Mutterkirchen) denselben 
  
1 In Italien ahe sich der alte Landarchipresbyterat. 
ö Die westfränkischen Chorbischöfe wurden mit Hilfe Pseudoisidors vom Diözesanepistopat 
beseitigt.
	        
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