Kirchenrecht. 317
sich beschränken mußte, ohne neue lirchenpolitische Ziele steclen zu lkönnen. Namentlich lam
aber den Päpsten die Wiedergeburt der Rechtswissenschaft zugute. Die Zeit der großen Juristen
auf dem päpstlichen Stuhl (Alexander III., Innozenz III. und IV.) und um ihn hebt an; Theo-
logen wie Thomas von Aquino (1225—74) wandeln in mancher Hinsicht nur die von jenen
gewiesenen Bahnen.
Zum decretum Nicolai vgl. namentlich Hinschius, Kr. I ##27 III; Scheffer-
Boichorst, Die Neuordnung der Papstwahl, 1879, und in M. d. J. f. ö. G. VI, 1885; Grauert
im Ib. I, 1880, XIX, 1898, XX, 1899 und Meyer v. Knonau in den Jahrbüchern Heinrichs IV.
u. V., I, 1891, Exk. 7, v. Pflugk-Harttung, Das Papstwahldekret des Jahres 1059, M J.
f. ö. G. XXVII, 1906, sowie bei Friedberg, Kr. 7 59 N. 7. Monumenta Gregoriana ed.
Jaffé in Bibl. rerum Germanicarum II, 1865; Werminghoff, VG. F8 26, 27, 42; Martens,
Gregor VII., 2 Bde., 1894; Scheffer-Boichorst, Kaiser Friedrich lI. letzter Streit mit der
Kurie, 1866; Ribbeck, Friedrich I. und die römische Kurie, 1881; Hinschius, Kr. I11 7.122,
V# 286; Wolfram, Friedrich I. und das Wormser Konkordat, 1883, und Zum Wormser Kon-
kordat, Z. f. Kg. VIII, 1886; Hauck, Friedrich Barbarossa als Kirchenpolitiker, Leipziger Univ.=
Progr., 1898; 8 eters, Charakteristik der inneren Kirchenpolitik Friedrich Barbarossas, Greifswalder
phil. Diss., 1909, Die äußere Kirchenpolitik Friedrich Barbarossas, Wiss. Beil. z. Bericht d. Kl. St.
Johannis zu Hamburg, 1910; Caro, Die Beziehungen Heinrichs VI. zur römischen Kurie,
Rostocker phil. Diss., 1902; Pomtow, Über den Einfluß der altrömischen Vorstellungen vom
Staat auf die Politik Friedrichs I., Hall. phil. Diss., 1885; Hashagen, Otto von Freising als
Geschichtsphilosoph und Kirchenpolitiker, Leipz. Studien VI, 2, 1900; Schmidlin, Die kirchen-
politischen Ideen des 12. Jahrhunderts, A. f. k. Kr. LXXXIV, 1904; Graefe, Die Publizistik
in der letzten Epoche Friedrichs II., Heidelberger-Abhdl., 1909; Hofmeister, Studien über
Otto von Freising, N. A. XXXVII, 1912; Baumann, Die Staatslehre des h. Thomas von
Aquino, 1873; Thoemes, Divi Thomae Aquinatis opera et praecepta qduid valeant ad res
ecc#lesiae politico-sociales, 1875; Zeiller, L’idbe de P’Etat dans Saint Thomas d’Aquin,
1910; Grabmann, Die Geschichte der scholastischen Methode I, II, 1909, 1911; de Ghellinek,
rhéclogie et droit canon au lle et au 12 siöcle, Etudes CXXIX, 1911; Kuhlmann, Der
Gesetzesbegriff beim hl. Thomas von Aquin im Lichte des Rechtsstudiums seiner heit, 1912 (dazu
Leper, l RG. II, 1912); Gillmann, Die Siebenzahl der Sakramente bei den Glossatoren,
ath. LXXXIX, 1909 (dazu X0CII, 1912 Bd. 1, S. 453 ff. und Heyer, Theol. Revue XI,
1912 Sp. 189 ff.), Der „sakramentale Charakter“ bei den Glossatoren Rufinus, . und in der
Glossa ordinaria des Dekrets, Kath. XC, 1910; de Ghellinck, Le traité de Pierre Lombard
sur les sept ordres ecclésiastiques, R. h. é. X, 1909, XI, 1910.
Die Glanzzeit des mittelalterlichen Papsttums ist da. Zunächst überwiegt durchaus die
ideale Richtung, der auch nach Gregor Päpste wie Urban 1II., Alexander III., Innozenz III.
und IV. aus vollster Uberzeugung anhängen (Kreuzzüge), wennschon natürlich nicht, ohne zu-
gleich sehr reale Nebenzwecke zu versolgen. Man beansprucht die Unterwerfung der Welt unter
das Papsttum, aber in erster Linie, um so das Reich Gottes zu verwirklichen (Durchführung
des altlirchlichen Zinsverbotes). In so sem läßt sich der mittelalterlichen päpstlichen Weltherr-
schaft weder Größe noch mannigsaches Verdienst im einzelnen absprechen. Die sinnliche Auf-
sassung des Gottesreiches, die dabei zutage tritt 1, teilte sie mit sast dem ganzen Mittelalter, das
geistige Macht nur verstand, wenn sie sich leiblich äußerte . Doch wurde ihr gerade dies und
der Umstand zum Verhängnis, daß die Päpste und ihre Gehilfen der Vollkommenheit, die solch
eine ideale Aufgabe bei ihnen voraussetzte, immer weniger entsprachen. Friedrich II. gegen-
über, der in seinem sizilianischen Lieblingsreich, den Zeiten voraneilend, den aufgeklärten
Despotismus vertrat, indes er anderswo den Eifer seiner Zeit in der Verfolgung der Ketzer
nicht bloß teilte, sonderm durch Einführung der Strase des Feuertodes noch überbot (1224 für
die Lombardei), wie er auch zu dem Zugeständnis der Steuerfreiheit von Klerus und Kirchengut
sich herbeiließ, erfocht das Papsttum seine letzten Triumphe. Immer mehr traten die religiösen
Beweggründe und Gesichtspunkte zurück. Vollends unter Bonifaz VIII. siegte der Jurist auf
dem päpstlichen Stuhl über den Theologen; die Macht wurde der Kirche, die sich damit an Stelle
des weltlichen Gemeinwesens setzte, zum Selbstzweck. Die Entartung der päpstlichen Welt-
1 Christus sagt: Mein Reich ist nicht (von dieser Welt; das meint er aber nur de kacto, weil
man ihm eben nicht gehorcht, nicht de iure, lehrt Heinrichlvon Cremona um 1300.
Aegidius von Rom meinte um 1300, nur der irdische Besitz sichere die Kirche vor Gering-
schätzung durch die Laien.