322 Ulrich Stutz.
Verfügungsmacht und der eminenten praktischen Einsicht seiner Schöpfer, vor deren Forum
damals die ganze Welt Recht suchte, einen einheitlichen, großen Zug, eine seltene technische
Vollendung sowie eine wunderbare Geschmeidigkeit und Anpassungsfähigkeit aufweisen u. So
erreicht das kanonische Recht, dessen Bildung mit dem Abschluß der offiziellen Teile des Corpus
iuris canonici sich vollendet, eine juristische Volllommenheit, die es als den llassischen Ausdruck
der katholisch-kirchlichen Rechtsidee bis auf den heutigen Tag erscheinen läßt. Darum, und weil
sie die Erinnerung an die Zeiten höchster Macht ungern preisgibt, hält die ohnedies Neuerungen
abholde Kirche, die mit den verschiedensten Kultuwerhältnissen und mit dem Wechsel der Zeiten
hoffend rechnet, in der Hauptsache am kanonischen Rechte immer noch fest. Soweit es nicht
durch neueres kirchliches Recht, insbesondere von Konkordaten, ersetzt ist, wird es darum auch
für Deutschland zur Anwendung gebracht, falls die staatliche Macht dies nicht verhindert.
Friedberg, Das kanonische und das Kirchenrecht, D. Z. f. Kr. VIII, 1898; Stubbs,
The history of the Canon Lav in England, 1887; Maitland, oman Canon Law in the church
ot Eugien. 1898; Pollock #eand Maitland, The History of English law (18, 1) I, 111, s.:
Holdsworth, The Ecdlesiastical Courts in En land. auch in Select Essays in Anglo-American
Legal History, 1907, A history of English Law 1903, xp. 352 ss.; Galante, VF'efficacia del
diritto canonico in lnghülerra, Vol.. in onore di Federico Ciccaglione I. 1909; Ogle, The
Canon Lav in Mediaeval England, 1912; Hatschek, Englische BG. (5 18, 1) S. 308 . 320 ff.;
Davis, The Canon Law in England, g.e f. G. III, 1913; Wolf v. Glanvell,
Studien aus dem kanonischen Privatrecht, 1897, Die letztwilligen Verfügungen nach gemeinem
kirchlichen Recht, 1900; Schneider, Das kirchliche Zinsverbot und die kuriale Praxis
im 13. Jahrhundert, Festgabe f. Finke, 1904, Neue Theorien über das kirchliche Zinsverbot,
Bierteli. f. Soz. u. Wirtschg. V, 1907; Les "xu el, Die Entwicklungsgeschichte der kanonistisch-
scholastischen Wucherlehre im 13. Jahrhundert, jur. Diss. von Freiburg i. d. Schw., 1905;
Schaub, Der Kampf gegen den inswucher, 1905; Hansen, Der englische Staatskredit
unter König Eduard III., Hans. Geschichtsbl. XVI, W Haring, Die Schadensersatzpflicht
der Erben für Delikte des Erblassers nach kan. Rechi, Theol. 3 d. WoVes,. 1903;
Siciliano-Villanueva, Legei e canoni in materia di diritto rindr Studl... in onore
di ... Scialoja II, 1906; vgl. auch die Lit. zu 8 34.
8 28. Das Papalsystem.
Dem ganzen späteren Mittelalter steht nichts so fest, als daß die Zweiheit der geistlichen
und weltlichen Lebensordnung, nach ihm nicht bloß historisch gegeben, sondern im göttlichen
Ratschluß liegend, in der Einheit des göttlichen Urgrunds sich auflösen (ad unum reduci) müsse.
Werminghoff, V. 5 21; Friedberg, De finium inter ecclesiam et civitatem
regundorum iudicio, 1861, Die mittelalterlichen Lehren über das Verhältnis von Staat und Kirche,
8 f. Kr. VIII, 1869; Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, 3. Bd., 1881; Maitland,
olltical theories oj middle age by Gierke, 1900; Bernheim, Politische Begriffe des
Mittelalters im Lichte der Anschauungen Augustins, D. Z. f. Gw. VII, 1897, Die zaugustinische
Geschichtsanschauung in Ruotgers Biographie des Erzbischofs Bruno von Köln, 3.2 f. RG. II,
1912; Bernhard, Die zwei Schwerter Gottes auf Erden, 1897; Michael, Beiträge zur
Geschichte des mittelalterlichen Staatsrechts, f. k. Th. XXVI, 1902; Hauck, Der Gedanke
der päpstlichen Weltherrschaft bis auf Bonifaz VI I. „Leipei er Univ. rogr Pv, 1904; R. W. Carlyle
and A. J. Carlyle, A history of mediaeval po litical theory in t e West l II, 1903, 1909;
Grauert, Magister einrich der Poet und die römische Kurie, Münchener Al. Abhdl., philof. -
phil. u. hist.“ Kl., XXVII, 1, 2, 1912.
1 Wie sehr übrigens auch hierbei älteres weltliches Recht noch nachwirkte, zeigt z. B. die
durch den Einfluß der Pariser Schule zur Herrschaft gelangte Sponsalienlehre, die, indem hier
Berlöbnis (sponsalia de futuro) und Ehe (sponsalia de praesenti) beide dem Oberbegriff der
Sponsalien unterstellt wurden, deutlich die Herkunft aus fränkisch-germanischer Anschauung ver-
rät, für die das Verlöbnis der unentbehrliche Erstbestandteil der Eheschließung war. Ebendahin
gehört die Lehre vom ius ad rem, die, wenn auch bereits bei Sinibaldus Fliscus (§s 26, 3 b) sich
ankündigend und unter Bonifaz VIII. in der Kanonistik zu vollem Durchbruche gelangt, richtiger
Ansicht nach in germanischrechtlichen Verhältnissen des kirchlichen und weltlichen Rechtes wurzelt.
v. Brünneck, Uber den Ursprung des sog. ius ad rem, 1869; Groß, Das Recht an der Pfründe,
1887; Hey mann, Zur Geschichte des jus ad rem, Festschrift f. Gierke, 1911. Und daß der
annus gratiase, db. h. die Überlassung des Pfründeeinkommens an den Klerikernachlaß während
einer bestimmten Gnadenzeit, aus der Gewere des letztwilligen Tahäe hervorgegangen
ist, hat Caillemer, Exéccution testamentaire, 1901 gezeigt; vgl. auch v. Brünneck, Har
Geschichte und Dogmaiik der Gnadenzeit, Stutz, Kr. A., 21. v., 1905.