Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Kirchenrecht. 35 
des Papsttums, und durch den öffentlichen Ankläger, procurator fiscalis, der den französischen 
procureur du roi auf kirchlichem Gebiet nachahmt. Durch den letzteren erleidet, während der 
alte Anklageprozeß und mit ihm auch die purgatio canonica (5 33) verschwindet, das Denunzia- 
tionsverfahren in so fern eine Umwandlung, als die denunciatio evangelica (5 33) in Abgang 
kommt und das Offizialverfahren meist durch den promotor fiscalis in Bewegung gesetzt wird. 
Für die Zuständigkeit der kirchlichen Strafgerichte endlich wird seit dem 15. Jahrhundert die 
Schulunterscheidung von crimina mere ecclesiastica im Gegensatz zu den mere civilia und von 
delicta mixti fori maßgebend. Bei letzteren, wie z. B. Gotteslästerung, Entführung, Fleisches- 
verbrechen, Meineid, soll Prävention entscheiden. 
Hinschius, Kr. 1 # 21 III. 
8§ 41. Episkopalismus, Gallikanismus, Febronianismus. 
Die gemeinrechtliche Entwicklung war zwar zugunsten des Papsttums ausgefallen, jedoch 
zu einer ausdrücklichen und maßgebenden Entscheidung gegen die Superiorität des zum all- 
gemeinen Konzil versammelten Episkopats, den sogenannten Episkopalismus, war es nicht ge- 
kommen. Deshalb vermochte dies Reformsystem partikularrechtlich noch Jahrhunderte lang 
sich zu behaupten. Vor allem in Frankreich, wo es mit staatskirchlichen Elementen zu einem 
Nationalkirchentum sich verband und als solches durch das Königtum kräftig geschützt wurde 
(F§ 39, 1). Das Grundgesetz dieses sogenannten Gallikanismus 1 waren die vier Artikel der 
declaratio cleri Gallicani (Bossuet) von 1682, nämlich: 1. Die Gewalt des Papstes erstreckt sich 
nicht auf das bürgerliche und weltliche Gebiet, so daß der König ihm in temporalibus nicht 
untersteht und von ihm nicht abgesetzt werden kann. 2. Aber selbst in geistlichen Dingen ist 
die päpstliche Gewalt in Frankreich durch die Beschlüsse des Konstanzer Konzils über die kon- 
ziliare Superiorität beschränkt. 3. Sie ist fermer an die Konzilien überhaupt und an die galli- 
kanischen Gewohnheiten gebunden. 4. In Glaubenssachen entscheidet der Papst, doch so, daß 
ohne Zustimmung der Kirche seine Dekrete nicht irreformabel sind. Seine wissenschaftliche 
Verarbeitung fand der Gallikanismus in den Libertez de DPéglise Gallicane von Pierre Pithon 
1594, einer privaten, aber bald von der Praxis als autoritativ behandelten Arbeit. Überhaupt 
kuüpfte sich daran in Frankreich eine hohe Blüte kirchenrechtlicher, auch historischer Wissenschaft s; 
ihre herworragendsten Vertreter waren Etienne du Pasquier, f 1615, Jacques Sirmond, 1 1651, 
Pierre Dupuy, s 1651, Jacques Godefroy, 1 1652, David Blondel, 1 1655, Pierre de Marra, 
1662, Louis Thomassin, 1 1697, Etienne Baluze, f 1718, u. A. m. 
Hinschius, Kr. 1 122; Mention, Documents relatifs aux rapports du clergé avec la 
royauté (1682—1789), 2 vol., 1893, 1903; G. Hanotaux et J. Hanoteau, Introduction 
zum Recueil des instructions données aux ambassadeurs de la France VI, XVIItRome, I, II), 
  
Seine Kehrseite war eine selbst vom Papsttum kaum erreichte Verfolgungssucht gegen 
Andersgläubige, insbesondere gegen die Hugenotten. I. vor allem die Einleitung zur declaratio), 
deren Höhepunkt mit dem 1685 erfolgten Widerruf des Edikts von Nantes von 1598, das die 
Protestanten geschützt hatte, keineswegs erreicht wurde, eine Schroffheit, die teils einem auf die 
Spitze getriebenen Territorialismus, teils dem Bestreben entsprang, Rom gegenüber das, was 
man sich in Dogma und Disziplin ihm gegenüber erlaubte, auf andere Weise wieder gutzumachen. 
„ Innozenz III. hatte in der Bulle Per venerabilem (5 28) gegen den Kaiser und die Legisten 
erklärt, daß Rezx Francorum superiorem in temporalibus non agnoscit. Das spätere französische 
Königtum benutzte dann diesen Satz in erster Linie gegen das Papsttum. Vgl. Üübrigens auch das 
deutsche Reichsgesetz Licet juris von 1338 (bei geumer, Quellensammlung z. Gesch. d. deutsch. 
Reichsverf.", 1913 S. 184): imperator . in temporalibus superiorem non habet in terris. 
man gegen das französische Regalienrecht geltend machte, der Kaiser besitze ein solches auch nicht, 
wandte freilich der Generaladvokat Le Bret ein, der französische König sei eben mächtiger als 
jener, sage doch Baldus im Cons. 218: rex Francorum est quidam deus corporalis et stella 
matutina in medio nubis meridionalis, Michellet, Régale (5 18, 3 a) p. 101. 
* Von italienischen Kirchenrechtslehrern verdienen außer Bellarmin (*7 38), Lambertini (S. 345 
A. 3), Mansi und Ferraris (s 61, S. 280) genannt -“ werden: Paolo Lancelotti, f 1590, Paolo 
Sarpi, f 1623, Prospero Fagnani, # 1678, Carlo Sebastiano Berardi, f# 1768, Pietro Ballerini, 
1 1769, Francesco Antonio Zaccaria, f 1795. Von Spaniern ragen außer Suarez (57 38) hervor 
Antonio Agostino, f 1568, Thomas Sanchez, f 1610, Manuel Gonzalez Tellez, ## 1649, von Portu- 
giesen Agostino Barbosa, f 1649. 
23“
	        
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