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fortan vor Belästigungen durch ihre früheren geistlichen Obemm sicherstellte und den Landes-
herren die Anhandnahme des Kirchenregiments auch rechtlich ermöglichte. Endlich wurde den
Untertanen gegenüber dem landesherrlichen Reformationsrecht die Auswanderungsbefugnis,
jus emigrandi, gewährleistet.
Barge, Die Verhandlungen zu Linz und Passau und der Vertrag von Passau im Jahre
1552, 1893; Kühns, Zur Geschichte des Passauer Vertrags, 1905; Bonwetsch, Geschichte
des passauischen Vertrages von 1552, 1907; Ritter, Der Augsburgische Religionsfriede, Hist.
Taschenb., 1886; Wolf, Der Augsburger Religionsfriede, 1890; Brandi, Der Augsburger
Religionsfriede, 1896, Passauer Vertrag und Augsburger Religionsfriede, H. Z. XCV, 1905;
Adler, Der Augsburger Religionsfriede und der Protestantismus in Osterreich, Festschrift f.
Brunner, 1910; Rieker, Die rechtliche Stellung der evangelischen Kirche Deutschlands, 1893.
Die Ruhe, die dieser Frieden den Augsburgischen brachte, zeitigte, zusammen mit der
durch ihn sanktionierten Trennung von den außerdeutschen Protestanten, bei den deutschen
Evangelischen Lehrstreitigkeiten, die durch die Konkordienformel vom 25. Juni 1580 nicht völlig
aus der Welt geschafft wurden. In diese Zeit fällt auch ein siegreiches Vordringen des Cal-
vinismus im Deutschen Reich (§ 51). Von größter staatskirchenrechtlicher Bedeutung wurde
es, daß Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg, als er 1613 zum reformierten Be-
kenntnis übertrat (confessio Marchica 1614), als erster von seinem Religionsbann, wie er nach
dem älteren strengen Recht des Augsburger Religionsfriedens es zwar nicht durfte, aber nach
der neuer Praxis gekonnt hätte und zunächst auch zu tun geneigt war, zugunsten seines neuen
Bekenntnisses keinen Gebrauch machte, sondem seine Untertanen, von denen nur kleine Teile frei-
willig übertraten, beim Luthertum beließ. Jetzt beschränkte sich im Gegensatz zu den Calvinischen
die sich germ als die Reformierten in besonders vollkommenem Sinne bezeichneten, der ur-
sprünglich beiden Richtungen von den Gegnern gemeinschaftlich beigelegte Name Lutheraner
auf die Anhänger des deutschen Reformators. Anderseits bezeichneten sich fortan die deutschen
Reformierten, soweit sie die äußere Ordnung der Lutherischen beibehielten, ebenfalls als Augs-
burgische Konfessionsverwandte. Doch geriet die Reformation überhaupt bald ins Stocken
Ja, es gelang dem durch das Tridentinum gesammelten Katholizismus, wieder Boden zu ge-
winnen und namentlich auch das Territorialprinzip samt dem wieder zur Anwendung gelangen-
den Ketzerrecht gegen die Evangelischen zu kehren. Der nunmehr entbrennende 30 jährige
Religionskrieg führte zunächst 1629 zu einem kaiserlichen Restitutionsedikt, das den Augsburger
Religionsfrieden in katholischem Sinn restriktiv interpretierte. Hatte schon im 16. Jahrhundert
die Gegnerschaft des universalen Papsttums und vor allem der internationalen österreichischen
Hausmacht die Evangelischen in die angesichts des nationalen Charakters ihrer Sache mißliche
Lage versetzt, im Ausland Hilfe zu suchen, so trieb sie jetzt eben diese intemationale österreichische
Gegnerschaft nicht bloß zum Bündnis mit dem immerhin in erster Linie als Vorkämpfer des
evangelischen Glaubens sich fühlenden Schwedenkönig Gustav Adolf, dessen mit dem Tod auf
dem Schlachtfeld zu Lützen am 16. November 1632 besiegeltes Werk die Rettung des nord-
deutschen Protestantismus war, sondern sogar in die unnatürliche Verbindung mit dem katho-
lischen Frankreich, ja mittelbar mit dem als italienischer Fürst von Habsburg bedrohten Papst
(Urban VIII.). So war es auch ein europäischer und unter der Garantie außerdeutscher Mächte
stehender Friedensschluß, der dem Religionskrieg ein Ende machte.
v. Mühler, Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung in der Mark Brandenburg,
1846; Brandes, Geschichte der kirchlichen Politik des Hauses Brandenburg, I, II, 1872; Zorn,,
Die Hohenzollern und die Religionsfreiheit, 1896; Pahnke, Abraham Seultetus in Berlin,
Forsch. z. Brandenb. u. Preuß. Gesch. XXIII, 1910; Heppe, Ursprung und Geschichte der Be-
zeichnungen reformierte und lutherische Kirchen, 1859; Tschackert, Die Entstehung der luthe-
rischen und der reformierten Kirchenlehre, 1910; Fabricius, Kirchliche Organisation und
Verteilung der Konfessionen im Bereich der heutigen Rheinprovinz um 1610, 4 Karten (Ge-
schichtlicher Atlas der Rheinprovinz VI), 1903, mit 3 Erläuterungsbänden 1909, 1913; Ranke,
Zur deutschen Geschichte vom Religionsfrieden bis zum 30 jährigen Krieg , sämtl. Werke Bd. 7,
1888; Ritter, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation und des Dreißigjährigen
Krieges, 3 Bde., 1889—1908; Wolf, Deutsche Geschichte im Zeitalter der Gegenreformation I,
1889; Gothein, Staat und Gesellschaft der neueren Zeit (Gegenreformation), Hinneberg,
Kultur der Gegenwart II, 5, 1, 1908; Literatur über die Gegenreformation in den einzelnen
Territorien bei Friedberg, Kr. 7 29, N. 8; Tupetz, Der Streit um die geistlichen Güter
und das Restitutionsedikt, 18831 Gebauer, Kurbrandenburg und das Restitutionsedikt, 1899;