Kirchenrecht. 381
1903; Ernst, Die Entstehung des württembergischen Kirchenguts, Württ. Ibb. f. Statistik, 1911;
Schweizer, Das Basler Kirchen= und Schulgut in seiner Entwicklung bis zur Gegenwart,
Basler Zeitschr. f. Gesch. und Altert. IX, 1910; Bächtold, Geschichte des Kirchenguts im Kanton
Schaffhausen, 1911; Loserth, Das Kirchengut in Steiermark im 16. und 17. Jahrhundert,
1912; Wolff, Die Sakularisierung und Verwendung der Stifts- und Klostergüter in Hessen-
Kassel unter Philipp dem Großmütigen und Wilhelm IV., 1912; Muth, Das evangellische Stift
St. Arnual in Saarbrücken, 1908; du Mesnil, Das Stift St. Arnual, 1911; Muth, Der
St. Arnualer Stiftsfonds und sein Eigentumsträger, 1911; Jüngst, Das Stift St. Arnual,
1911; vgl. Pestalozzi (§ 39, 2) und die Lit. zu § 44.
§ 49. Die theoretische Rechtfertigung der lutherischen Kirchenverfassung;
Dreiständelehre.
Mit den ersten Ansätzen des praktischen Landeskirchentums übemahmen die Reformatoren
vom ausgehenden Mittelalter gewisse Begründungen seiner Daseinsberechtigung, die allerdings
erst durch sie größere Bedeutung erlangten. Sie sahen in der weltlichen Obrigkeit einmal den
custos utriusque tabulae, der beiden mosaischen Gesetzestafeln, also namentlich auch prioris
tabulae, der ersten, welche die auf das Verhältnis der Menschen zu Gott bezüglichen Gebote
enthält. Aus dieser custodia ließen sie eine dauernde, ständige Fürsorge (im Gegensatz zu dem
nur gelegentlich praktisch werdenden ius reformandi) für die wahre Religion, die reine Lehre
und den rechten Gottesdienst hervorgehen. Und sie erblickten in der Obrigkeit das membrum
praecipuum ecclesiae, das vornehmste Glied der Christenheit, und verpflichteten sie als solches
zum Eingreifen besonders in außerordentlichen Fällen.
v. Scheurl, Das Wächteramt über beide Tafeln, in seiner S. kr. A.; Sohm, Kr. 1
37; Brandenburg, Luthers Anschauung vom Staat (5 44).
Mit dem evangelischen Kirchenrecht wuchs aber auch eine evangelische Kirchenrechtswissen-
schaft heran, welche diese mehr theologische Begründung durch eine juristische ersetzte. Diese
bediente sich gleichfalls einer Anschauung, die in das ausgehende Mittelalter (Wiclif, Hus) und
durch es ins Altertum (Plato) zurückreichte, aber, wie wir schon sahen, auch von den Reforma-
toren geteilt wurde, nämlich der Lehre von den drei Ständen (triplex ordo hierarchicus).
Nach ihr zerfiel die Christenheit in drei (zwei) Regimente oder Stände: a) in den status politicus,
das weltliche Regiment, die christliche Obrigkeit zur Aufrechterhaltung des ordo politicus, b) den
status ecclesiasticus, das geistliche Regiment, Prediger und Theologen, denen der ordo eccle-
Ssiasticus anvertraut ist, und c) in den, weil für das politische Leben nicht bedeutsam, oft über-
gangenen status oeconomicus sive domesticus, den gemeinen Mann, den Hausvaterstand,
der Weib, Haus, Hof, den ordo domesticus, regiert und dem Ganzen für Nahrung sorgt.
Fürstenau, Wiclifs Lehren von der Kirche und der weltlichen Gewalt, 1900; Stintzing,
Geschichte der deutschen Rechtswissenschaft, II, 1884, S. 208; Köhler, Die altprotestantische
Lehre von den drei kirchlichen Ständen, Z. f. Kr. XXI, 1886.
Indem mit dieser Ständelehre die geschichtlichen Tatsachen auf dreifache Art kombiniert
wurden, ergaben sich drei Systeme.
1. Nach dem einen, dessen Hauptvertreter besonders die Brüder Stephani 1599 und
1611, Reinkingk 1616, der Jurist Benedikt und der Theologe Johann Benedikt Carpzov 1649
und 1696 sowie Stryk 1694 waren, stand die Kirchengewalt eigentlich dem status ecclesiasticus
zu, dessen Angehörige demnach allein in den Kirchenbehörden hätten sitzen sollen, während
der status oeconomicus bloß zu gehorchen hatte. Nur durch den Passauer Vertrag, den man
in den Kirchenordnungen des 16. Jahrhunderts unrichtig dahin deutete, er habe eine Uber-
tragung oder Restitution der bischöflichen Rechte an die Landesherren verfügt, sei der status
politicus in den Besitz des Kirchenregiments gekommen. So das Episkopalsystem,
dessen Name gleich der späteren Bezeichnung landesherrlicher Summepiskopat auf den bereits
reformatorischen Sprachgebrauch von ius episcopale im Sinn einer der weltlichen Obrigkeit
in geistlichen Dingen positiv zustehenden Leitungsgewalt zurückgeht. Es bedeutet einen Rückfall
in kanonistische Vorstellungen.
2. Die religiös-theologische Weltanschauung des Mittelalters, die auch die Reformatoren
geteilt haben, wich seit etwa 1650 der natürlichen, auf unserem Gebiet speziell der naturrecht-