Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

386 Ulrich Stutz. 
Von den Fremden-(Refugianten-, französischen) Gemeinden endlich brachte es nur die 
auch deutsche Glieder umfassende Konföderation der reformierten Gemeinden in Niedersachsen 
(zu Braunschweig, Celle, Göttingen, Münden, Bückeburg und Altona) zu größerer Bedeutung, 
die sich 1703 dem Glaubensbekenntnis und der Disziplin der Kirche von Frankreich unter- 
stellte. Sie behielt auch nach Abstreifung des französischen Gepräges ihr reformiertes Frei- 
kirchentum bei. 
Hugues, Die Konfoederation der reformierten Kirchen in Niedersachsen, 1873; 3randes, 
Die Konfoederation der reformierten Kirchen in Niedersachsen, 1896 (auch Geschbl. d. deutschen 
Hugenottenvereins VI 1, 2)) Ebrard, Die französisch-reformierte Gemeinde in Frankfurt a. M. 
(1554—1904), 1906; Be ( er, Geschichte der Frankfurter Flüchtlingsgemeinden, Hallesche Abh. 
z. neueren Gesch., 43. H., 1906. 
Viertes Kapitel. 
Der Ausbau des deutschen evangelischen Kirchenrechts im 
19. Jahrhundert. 
8§ 52. Staatliche Kirchenhoheit und landesherrliches Kirchenregiment. 
Die Umwälzungen, die Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte, blieben 
auch für die evangelische Kirche nicht ohne nachhaltige Wirkung. Der Reichsdeputationshaupt- 
schluß machte der für Preußen bereits durch den Erwerb Kleves (1609 bzw. 1666), Gelderns 
(1713), Schlesiens sowie durch die Teilung Polens beseitigten konfessionellen Geschlossen- 
heit auch für die süddeutschen Territorien ein Ende. Ein Teil des hergebrachten Staats- 
kirchenrechts wurde nunmehr unanwendbar; insbesondere trat, da und dort schon vor- 
bereitet (Preußisches Landrecht von 1794 mit seinem für alle Untertanen ohne Unter- 
schied des Bekenntnisses verbindlichen staatlichen Eherecht; Anerkennung der Protestanten 
in Bayern 1800/01), nunmehr in allen größeren Staaten an Stelle der bloß ständischen 
die individuelle christliche Parität; auch dem einzelnen Untertan des einen christlichen 
Bekenntnisses sollte fortan recht sein, was dem des anderen recht war. Selbst einer 
Mehrheit von christlichen Religionsgesellschaften gegenüber mußte man jetzt staatlicherseits- 
eine paritätische Stellung einnehmen. Man half sich, indem man die bisher wenig prak- 
tische, naturrechtliche Unterscheidung von Kirchenhoheitsrechten, iura circa sacra, und kirchen- 
regimentlichen Befugnissen, iura in sacra, zur Anwendung brachte. Den Rechten, die dem 
Staat als solchem und unveräußerlich jeder Religionsgemeinschaft gegenüber zukamen, ganz 
besonders aber im Verhältnis zu den bevorrechteten, den Kirchen, stellte man, indem man 
wenigstens theoretisch die Kirchen nicht mehr als bloße Teile des Staatswesens auffaßte, die 
weitergehenden Befugnisse gegenüber, die hergebrachterweise dem Landesherrn über die evan- 
gelische Landeskirche seines Territoriums zustanden und kirchenregimentlicher Natur waren (in 
Baden schon das erste Konstitutionsedikt von 1807). In dieser Weise ging namentlich Preußen 
vor, das 1808 während der Kriegsnöte die alte Konsistorialverfassung mit Einschluß des Kriegs- 
konsistoriums und des Feldprobstes (S. 378 A. 1) beseitigt hatte, dann aber nach ver- 
schiedenen Versuchen dazu gelangte, die Wahrung der Kirchenhoheitsrechte ausschließlich 
dem 1817 errichteten Ministerium für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten 
sowie den Oberpräsidien zu überweisen, indes die evangelische Kirchengewalt, soweit es sich 
nur um Interna handelte, zur vertretungsweisen Ausübung Provinzialkonsistorien (seit 1818 
mit je einem Generalsuperintendenten als Mitglied, seit 1832 auch wieder ein Feldprobst) 
anvertraut wurde. Diese standen allerdings auch unter den Oberpräsidenten und dem 
Kultusminister, bedeuteten aber doch einen ersten Schritt zur Loslösung der kirchlichen 
Verwaltung von der staatlichen 1t. Uberhaupt lemte man nach und nach für das Ver- 
hältnis zur evangelischen Kirche im Landesherrn zwei Personen unterscheiden, den Träger 
  
: Der badische Oberkirchenrat, damals eine Staatszentralmittelstelle unter dem Ministerium 
des Innern, hatte dagegen bis 1860 die Aufgabe, das ius in sacra und die iura circa sacra zu- 
gleich wahrzunehmen.
	        
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