Full text: Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung. Fünfter Band. (5)

Kirchenrecht. 395 
des Freikirchentums. Zu Hause, wenn auch nicht vollständig durchgeführt 1 ist es in den Ver- 
einigten Staaten von Nordamerika?, die eben keine kirchliche Vormacht mit altbegründetem 
Besitz, wohl aber eine unter dem Einfluß reformierter Separationstendenzen entstandene, weit- 
gehende kirchliche Zersplitteuung vorfanden. In Belgien gilt das System auf Grund der Ver- 
fassung von 1831, die es aber in Art. 117 zuungunsten des Staates durch die Bestimmung durch- 
bricht, daß der Staat die Besoldungen und Gnadengehälter der Kultusdiener auf eigene Kosten 
zu zahlen habe. In Italien bildete die freie Kirche im freien Staat das Programm Cavours2, 
konnte jedoch, da Italien nach der Wegnahme des Temporales im Garantiegesetz vom 13. Mai 
1871 G in seinem eigenen Interesse dem Heiligen Stuhl gewisse Sicherheiten für die Behauptung 
von dessen internationaler Stellung nach innen wie nach außen zu geben sich veranlaßt sah, 
bloß zum Teil verwirklicht werden. Zuungunsten der Kirche, namentlich unter Beibehaltung 
einer ausgiebigen Kultuspolizei, hat Frankreich, nachdem es zuvor durch das Vereinsgesetz vom 
1. Juli 1901 noch auf dem Boden des konkordatären Rechts und des Staatskirchentums die 
Orden und Kongregationen mit Ausnahme weniger ermächtigter aufgelöst und aus seinen 
Grenzen verbannt hatte 5, durch das Trennungsgesetz vom 9. Dezember 1905 die Kirchen zu 
entstaatlichen und völlig in die Sphäre des privaten Rechts zu verweisen sich veranlaßt gesehen; 
infolge des Widerstandes der katholischen Kirche, die sich weigerte, die in dem Trennungsgesetze 
vorgesehenen Kultusvereine oder auch nur Vereine des gemeinen Rechtes für Kultzwecke zu 
bilden, ist freilich dieser gegenüber der Versuch, selbst die privatrechtlichen Kultorganisationen 
staatlich zu bevormunden, gescheitert, und hat sich die katholische Kirche, zunächst allerdings 
um den Preis weitgehender Desorganisation und erheblicher finanzieller Schwierigkeiten, unter 
notgedrungenem Einlenken des Staates (Gesetze und Dekrete vom 2. Januar, 28. März 1907, 
13. April 1908, 30. Januar, 12. Juli 1909) ein größeres Maß von Freiheit zu sichern gewußt, 
als es ihr ursprünglich zugedacht war 2#. Dagegen haben in einer den Kirchen wohlwollenden 
1 Sonst gäbe es keinen Feiertagszwang, keine Möglichkeit der Ablösung der militärischen 
Dienstpflicht aus Gründen des religiösen Bekenntnisses (Quäker), keine gottesdienstliche Eröffnung 
bes Kongresses. Klein, La séparation aux Etats-Unis, histoire, lois, contumes, documents, 
1908; Haupt, Staat und Kirche in den Vereinigten Staaten von Nordamerika, Clemen, Stud. 
3z. prakt. Theol. III 3, 1909. 
: Luch die meisten englischen Kolonien, z. B. Australien, Neu-Seeland u. a., kennen es in 
dieser nordamerikanischen Gestalt. 
* Bgl. oben S. 384 A. 1. 
* 2. Titel. Vom Berhältnis des Staates zur Kirche: Keine Beschränkung des Zusammen- 
tritts von Kirchenversammlungen, keine Nomination oder Präsentation bei Besetzung von beneticia 
maiora (aber Indigenat und bis zum Erlaß eines Kirchengutsgesetzes Exequatur für die Einführung 
in die Temporalien der höheren und niederen Benefizien ußerhalo Roms und der suburbikarischen 
Bistümer), kein Treueid der Bischöfe gegenüber dem König, kein Plazet außer zu Verfügungen 
über Kirchengut, kein recursus ab abusu in geistlichen und Disziplinarangelegenheiten. Galante, 
L'Exrequatur e ll Placet (auch in der Eneicl. giur. ital.), 1910; Savagnone, Sulla 
revocabilita dell Exequatur e del Placet, 1905 (auch in Riv. di Legisl. Compar.), Bernareggi, 
L'Exequatur, 1913. 
* Zum Vereinsgesetz vaol. Waldeck-Rousseau, Associations et Congrégations, 
1901; Trouillot-Chapsal, Du contrat d’association, 1902; Ruffini, La lotta contre 
le congrega zioni religiose in Francia, 1902; Lero y-Beaulieu, Les congrégations religieuses, 
le protectorat et I’influence française au dehors, Revue des Deux mondes XIV, 1903; Ery- 
thropel, Das Recht der weltlichen Vereine und geistlichen Orden in Frankreich, 1904; f. 
auch Estanyol y Colom, Algunas consideraciones sobre el derecho de asociacion, 1907. 
* Zur französischen Trennungsgesetzgebung (D. Z. f. Kr. XV, 1906; auch sev.) Süägmüller, 
Die Trennung von Kirche und Staat, 1907 (auch A. f. k. Kr. LXXXVI, 1906); Cavagnis, 
De concordato Napoleonico pro Gallia, de articulis organicis, de Lege 9. Dec. 1905 separationis 
Reipublicae Galliae ab Ecclesia, 1906; Sabatier, A propos de la Séparation : 1906 (deutsch: 
Zur Trennung der Kirchen vom Staat, 1907); Friedrich, Die Trennung von Staat und Kirche 
in Frankreich, 1907; Planeizx, L'Eglise et I’Etat: leur séparation en France, 1906; Geigel, 
Die Trennung von Staat und Kirche in Frankreich, 1902; Fardis und Prost im Jahrbuch 
des öffentlichen Rechts II, 1908; Ambrosini, Diritto ecclesiastico francese odierno (1880 bis 
1908), 1909; Lüttge, Die Trennung von Staat und Kirche in Frankreich und der französische 
Protestantismus, 1912; Schnitzer, Trennung von Kirche und Staat in Frankreich, Internat. 
kirchl. Zeitschr. II, 1912; vor allem Combes, Die französische Republik und die Trennung von 
Kirche und Staat, Deutsche Revue XXX 3, 1905; Briand, Rapport fait à la Chambre sur 
da Séparation des Eglises et de lI’Etat sowie das vom Vatikan als Supplement zu Acta S. Sedis
	        
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