410 Ulrich Stutz.
tragene Gewohnheit kann Recht erzeugen, und auch diese allein, wenn sie nicht gegen das jus
d#vinum verstößt, rationabilis, d. h. im Einklang mit dem Wesen der Kirche und dem Geist des
betreffenden Instituts ist und, falls sie bestehendem Recht derogieren soll, während der Ver-
jährungszeit (seit 10, eventuell 100 Jahren oder unvordenklicher Zeit) geübt, also legitime
Praescripta.
Schwering, Zur Lehre vom kanonischen Gewohnheiterecht, Göttinger jur. Diss., 1888;
G eitel: , Kirchliches Gewohnheitsrecht, D. Z. f. Kr. IV, 1894; Brie, o Le eter h( Erd ine
d ile r4n lack, Die Gewohnheiten gegen die Disziplinardekrete des Trienter Konzils, Z. f. k.
Zweites Kapitel.
Die Verfassung.
§ 63. Kirche und Kirchengewalt.
Die katholische Kirche ist die Gesamtheit derer, die unter Leitung der verordneten Ober-
hirten, besonders des Papstes zu Rom als irdischen Stellvertreters Christi und sichtbaren Hauptes
sowie der Bischöfe, durch den einen katholischen Christenglauben und die Gemeinschaft der
Sakramente verbunden sind 1. Sie beansprucht, allein die allgemeine, apostolische, selig-
machende und unfehlbar zu sein.
Durand, La notion de IEslise d'apres le catholicisme, 1899; Mater, L'Eglise catho-
Hque, sa constitution, son administration, 1906; B aumgarten, Berfassung und Organi-
sation der Kirche, 1906.
Die Kirche wird regiert durch die Kirchengewalt, d. h. den Inbegriff der Machtbefugnisse,
die Christus Petrus und den übrigen Aposteln für sich und ihre Nachfolger zur Leitung der
Kirche gegeben hat. Die potestas ecclesiastica äußert sich in drei verschiedenen Vollmachten:
. als potestas ordinis sive ad sanctificandum, d. h. als Weihegewalt zur Vermittlung der
kirchlichen Heilsgüter, insbesondere der Sakramente, 2. als potestas magisterü sive ad docen-
dum, das ist die Gewalt zur Verkündung und Verbreitung der rechten Lehre, endlich 3. als
potestas jurisdictionis sive ad regendum oder Regierungsgewalt. Die Lehrgewalt hat keine
besonderen Organe und wird infolgedessen, falls die Vollmachten nach ihrer Trägerschaft ge-
schieden werden, bald bei der potestas ordinis (so die Alteren), bald bei der potestas jurisdictionis
(so die Neueren) untergebracht, wodurch man statt der Dreiteilung (Trichotomie) eine Zwei-
teilung (Dichotomie) erzielt.
Für die hierarchische Gliederung kommt, streng genommen, nur die iurisdictio in Betracht.
Und auch von dieser nur die iurisdictio externa, welche das forum externum, die äußeren Be-
ziehungen im kirchlichen Gemeinwesen, betrifft und Unrecht abwehrt oder ahndet, nicht die
juriscictio interna, für die Beziehungen der Kirchenglieder zu Gott, das fkorum internum, die
es namentlich mit der Sünde zu tun hat und, wenn auch nicht ausschließlich, im Beichtstuhl
geübt wird (sacramentalis). Jedoch nicht alle Träger von Kirchengewalt haben iurischctio.
Und diejenigen, welche sie haben, erlangen sie regelmäßig nur unter Voraussetzung der Teil-
nahme auch an der Weihegewalt.
Hinschius, Kr. 1 20.
§ 64. Die Weihegewalt, ihre Abstufungen, ihre Übertragung (ordinatio)
sowie deren Voraussetzungen und Wirkung.
1. Weihegrade gibt es sieben (acht), nämlich: a) den Presbyterat, und zwar als
vollendeten oder Episkopat (von Manchen als besonderer Weihegrad angesehen), das mit der
Vollmacht, Bischöfe und Priester zu schaffen, verbundene Priestertum, und als einfachen oder
neuerdings gleichfalls ersetzt durch entsprechenden roten Stempeldruck; Baumgarten, Neueste
Ausstattung der apostolischen Breven, R.O. XXVII, 1913.
So in Ermangelung einer offiziellen kurzen Definition nach Bellarminus, De controversüs
christianae fidei: coetus hominum unius et eiusdem fidei christianae professione et eorumdem