Kirchenrecht. 415
nach kurialer Lehre aus dem Primat abgespaltener Jurisdiktion ein, so daß die hierarchia juris-
cictionis sich abstuft wie solgt: Papst, Patriarch, Primas, Metropolit, Bischof. Soweit sonst
noch Jurisdiktion zu eigenem Recht begegnet, etwa bei Kapiteln und ihren Dignitären (5 30, 4),
exemten Abten (§ 40, 3) usw., ist sie von der bischöflichen abgespaltet (quasi episcopalis) oder
von einer höheren. Man nennt dann ihre Inhaber mit Vorliebe Prälaten, was überhaupt
(außer bei bloßen Ehrenprälaten) Träger von Jurisdiktion (also auch den Bischof usw.) be-
deutet. Die Jurisdiktion ist entweder mit einem Amt verbunden, so daß sie dessen Inhaber
proprio jure zukommt, und zwar mit einem ständigen (eigentliche jurisdictio ordinaria), z. B.
mit dem Papsttum, dem Episkopat (der Bischof der Ordinarius schlechthin), dem Kardinalat,
der Ordensvorstandschaft, oder nur mit einem wenigstens im Prinzip unständigen (i. quasi
ordinaria), also etwa mit einem apostolischen Vikariat, einem Koadjutorat, Generalvikariat,
Kapitelsvikariat. Oder die Jurisdiktion ist von ihrem ordentlichen Inhaber für einen einzelnen
Fall (ad unam causam) oder einen Komplex von Angelegenheiten (ad universitatem causarum)
durch persönliche Verfügung (ab homine) oder ein für allemal von Gesetzes wegen (a lege,
#s 40, 3) einem Geistlichen (von mindestens 20, bei päpstlicher Delegation von mindestens
18 Jahren), der an sich der Jurisdiktion überhaupt oder der betreffenden entbehrt, als Stell-
vertreter übertragen, delegiert (i. delegata). In diesem Fall wird sie mit dem Auftrag,
commissorium, und nach dessen Maßgabe erworben; sonst findet der Erwerb ohne weiteres statt
mit dem des Amtes.
Hinschius, Kr. 1 5#85 20, 21; Kämpfe, Die Begriffe der iurisdictio ordinaria, quasi
ordinaria etc., 1876, und dazu v. Canstein, A. f. k. Kr. XXXVII, 1877 S. 211 ff. und Jurisdictio
delegata und mandata, Z. f. RG. XIII, 1878, sowie wieder Kämpfe, A. f. k. Kr. XII, 1879.
§ 67. Der Paypfst.
Der Papst ist Bischof von Rom#, in welcher Eigenschaft er sich: einen Kardinal als
vicarius urbis (aber mit Weihegewalt und i. ordinaria über den Tod des Papstes hinaus) und
eine aus vier Abteilungen bestehende Diözesankurie 3 hält, Metropolit der römischen Kirchen-
provinz, zu der unter Anderen auch alle Erzbischöfe ohne Provinz und alle exemten Bischöfe
der Welt gehören", Primas von Italien, Patriarch des Abendlandes und Oberhaupt der
katholischen Kirche. Als solches hat er überall, also auch in den einzelnen Diözesen in Kon-
kurrenz mit den Ortsbischöfen (Universalepiskopat) die Fülle der Jurisdiktion, nämlich die plena
et suprema, ordinaria et immediata jurisdictio vere episcopalis, wogegen den Bischöfen nach
dem Vatikanum die Jurisdiktion zwar ebenfalls als ordinaria, immediata et episcopalis, aber
nur in Gestalt örtlich begrenzter Teilgewalt und in Unterordnung unter den Papst zusteht. Im
einzelnen enthält der päpstliche primatus iurisdictionis: 1. das oberste Gesetzgebungsrecht nicht
bloß für Rechts-, sondern auch für Glaubensgesetze, im letzteren Fall jedoch nur, falls der Papst
ex cathedra in Sachen des Glaubens (kides) oder der Sitten (mores, die er aber der Disziplin
gegenüber selbst abgrenzt) eine Entscheidung trifft, woran sich, da er dabei nach vatikanischer
Lehre infolge des Beistandes des Heiligen Geistes unfehlbar ist, als Wirkung die Unabänder-
lichkeit (Irreformabilität) der verkündeten Sätze knüpft; 2. die oberste Kultusverwaltung mit
dem alleinigen Recht zur Vomahme von Seligsprechungen (beatilicationes) und Heilig-
sprechungen (canonizationes), zur Reliquienprüfung, zur Feststellung der gemeinen Feste; 3. die
1 Die römische Diözese wird gebildet durch die Stadt und ihre Umgebung im Kreise von
40 Miglien (comarca di Roma; dafür delegatus ad agrum Romanum, für welch letzteren die Er-
richtung von 6 Pfarreien durch die Bulle Pius’' X. Ouamdiu per agri Romani vom 24. Mai 1912
vorgesehen ist). Kathedrale ist 8San Giovanni in Laterano (nicht die Peterskirche !), omnium urbis
et orbis mater et caput; de Waal, Roma sacra, 1905.
* Pius' X. Konstitution Etsi Nos vom 1. Januar 1912.
!* Abt. 1 (Chef: Commissarius) für den Kult und die Visitation (hierfür Kardinalkommission
unter dem Kardinalvikar mit den Kardinalpräfekten der Konzils- und Religiosenkongregation als
Mitgliedern), 2 (Adsessor) für die Disziplin von Klerus und Volk (in Unterordnung unter ihr auch
der in A. 1 genannte delegatus), 3 (Auditor, mit Richtern als Gehilfen) für die erstinstanzliche
Gerichtsbarkeit, 4 (Praefectus) für die Vermögensverwaltung. Die vier Abteilungschefs und die
Richter ernennt der Papfst.
* Was sich namentlich in der Ladung derselben zum römischen Provinzialkonzil äußert.