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bildung teils an staatlichen Universitäten erworben werden (Preußen, Bayem, Württemberg,
Baden, Hessen, hier freilich unpraktisch, Elsaß), teils (Preußen, Bayem, Hessen, Lothringen)
auch auf einem bischöflichen, staatlich beaufsichtigten Klerikalseminar (Trier, Posen, Pelplin,
Mainz, Metz) oder einer ebensolchen theologischen Lehranstalt (Paderborm, Fulda, Eichstätt),
teils (Preußen, Bayern) an staatlichen Lehranstalten für theologische und philosophische Fächer
(Akademie in Braunsberg, bayrische Lyzeen in Bamberg, Dillingen, Freising, Passau, Regens-
burg). Die Vorbildung wird durch Knabenseminare unter staatlicher Aufsicht in Bayem und
Elsaß-Lothringen besorgt, während in Preußen, Württemberg, Baden, Hessen nur geistliche
Knabenkonvikte an den staatlichen Gymnasien (ein bischöfliches aber z. B. in Hildesheim)
vom Staat zugelassen werden. Auch für die Theologiestudierenden der Universitäten lassen
übrigens Preußen, Baden und Hessen Konvikte zu. Die praktische Vorbildung endlich bleibt
dem Bischof überlassen; sie wird in Preußen, Baden, Hessen und im Elsaß (neugebildetes
Grand-Seminaire) auf bischöflichen, staatlich nur beschränkt beaussichtigten Priesterseminarien
erworben, in Bayem und Württemberg auf staatlichen, die unter bischöflicher Leitung stehen.
Hinschius, Kr. IV K 233, 234; Kraus, Das theologische Studium sonst und jetzt ?,
1890; Holzammer, Die Bildung des Klerus in kirchlichen Seminarien oder an Staats-
universikäten, 1900; Leiner , Theologische Fakultäten und tridentinische Seminarien, 1900,
Nochmals Th. F. u S., 1901; Merkle, Das Konzil von Trient und die universitäten,
Würzburger Akad. — arnnlsoös S chrörs, Kirche zund Wissenschaft, 1907, Gedanken über
zeitgemäße Erzieh chung und dung der Geistlichen, 1910; S8chiappoli, U rlordinamento dei
Seminari in Italia, Rivista di diritto pubblico I, 1910.
Sechstes Kapitel.
Straf= und Gerichtsgewalt.
8 91. Das Straf= und Disziplinarstrafrecht.
Subjekt der Straf- und Disziplinarstrafgewalt über die ganze Kirche ist der Papst in
erster und letzter Instanz, in einziger für Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe, für letztere aber
nur bei Vergehen, auf denen mindestens Absetzung steht (§ 67), und an Stelle der unpraktischen
Gerichtsbarkeit der Provinzialsynode. Das Tridentinum schreibt die Delegation der dritt-
instanzlichen Jurisdiktion an einheimische Richter 1, iudices in partidus, vor, die eigentlich von
den Synoden gewählt (iudices synodales) oder vom Bischof mit Beirat des Kapitels (pro-
synodales) bestellt werden sollten, aber nie recht praktisch wurden. Heutzutage ergeht die
Delegation (zur Subdelegation an ihre Kirchengerichte) an einheimische Bischöfe (z. B. an
den Erzbischof von Freiburg für Köln und umgekehrt von Köln für Freiburg, an den Bischof
von Augsburg für Rottenburg) oder in gleicher Weise an die Nuntien (z. B. an den Münchner,
der die Erzbischöfe von München und Bamberg subdelegiert, an den Wiener, der für Breslau
aus einer Prosynodalliste drei Richter emmennt). Die zweite Instanz bilden die Erzbischöfe mit
ihren Metropolitangerichten, und für die exemten und die Erzdiözesen wird ein Bischof vom
Papst besonders bestellt (z. B. der von Münster für Köln, der Rottenburger für Freiburg).
Erste Instanz sind die Bischöfe mit ihren Gerichten (§ 70).
Hinschius, Kr. V K 341—49, VI K# 350—53, 357; Katz, Ein Grundriß des kanonischen
Strafrechts, 1881; 5 ollweck, Die kirchlichen Strafgesetze, 1869: Kahn, Etude sur le délit
et la peine en dreit esnonih o. 1898; Schiappoli, Dirltto penale canonico, in Pessina, En-
ciclopedia di diritto penale I, 1905, Lielemento esterno dell azione, materia del reato, nel Diritto
penale canonico, Festschrift f Friedberg, 1908; PdXAK&, lloenê öllrat P 6phdsou
Ayarcohuse aun) ola 1907; Kirsch, Die Behandlun der crimina capitalia in der morgen-
ländischen Kirche im Unterschied zur abendlsndsten. A. f. k. Kr. LXXXIV, 1904; Stutz, Kirch-
liche echtsgeschichte loben S. 279) S. 20, 44 und in Müller, Dißzesanbehörden (1 76)
86 ff; Kaas, Geistliche Gerichtsbarkeit ( 42 S. 361, A. 1).
Der kirchlichen Strafgewalt unterstehen heute tatsächlich nur noch die Katholiken, grund-
sätzlich auch die sonst rite Getauften. Was die sachliche Zuständigkeit anlangt, so schreitet die
1 Solche sind von Württemberg auch staatlich vorgeschrieben.