Kirchenrecht. 463
Kirchenrechtliches Handbuch für die evang.-lutherische Landeskirche des Fürstentums Schaumbur
Lippe, 1912; Beneke, Die Verfassungsreform der Kirche Augsburgischer Konfession in Elsa
Lothringen, 1909; Fleiner, Die Verfassungsänderung in der Kirche Augsburgischer Konfession
von Elsaß-Lothringen, D. Z. f. Kr. XIX, 1909; Foerster, Die Verfassung der evangelischen
Kirche in Deutschland (aus d. Prot. des 5. Weltkongr. f. freies Christentum), 1910.
8§ 110. Das landesherrliche Kirchenregiment.
Das landesherrliche Kirchenregiment ist die historisch gegebene, durch vielfache Verdienste
um die Kirche und aus Zweckmäßigkeitsgründen auch heute noch praktisch gerechtfertigte, aber
theoretischer Begründung sich entziehende Befugnis und Pflicht des Landesherrn, in der evan-
gelischen Kirche die Kirchengewalt (potestas regiminis) auszuüben, das Recht und die Pflicht
zu oberster Leitung der Kirche (schief als Summepiskopat, im hamburgischen Staat bloß als
Schutzrecht bezeichnet). Es fließt nicht aus der Souveränität und ist kein Bestandteil der Staats-
gewalt, sondern ein frei erworbenes Annex derselben, etwa wie auf staatlichem Gebiet die deutsche
Kaiserwürde mit der Trägerschaft der Krone Preußens sich verbindet. Deshalb steht es auch
dem katholischen Landesherrn zu (zurzeit in Bayern und Sachsen). Doch soll er es nicht per-
sönlich ausüben. Vielmehr sind in Sachsen mindestens drei (evangelische) Minister, darunter
der Kultusminister, in evangelicis beauftragt 1, während allerdings in Bayem, wo eben das
protestantische Kirchentum erst im 19. Jahrhundert im katholischen Staate zugelassen und organi-
siert worden ist, das katholische Bekenntnis des Landesherrn ignoriert wird, und dieser durch das
Oberkonsistorium in München bzw. das Konsistomum in Speier (für das linksrheinische Bayem)
das landesherrliche Kirchenregiment, doch so, daß bei wichtigen Angelegenheiten die Ent-
scheidung des Königs eingeholt werden muß, im wesentlichen nicht anders ausübt als der
evangelische Landesherr. Diesem kommt natürlich überall nicht bloß die Trägerschaft der
Kirchengewalt zu. Vielmehr ist er auch deren oberstes Organ. Jedoch nur einen Teil der
Ausübung behält er sich vor (Resewatrechte). Dahin gehörten z. B. die Auslibung der gesetz-
gebenden Gewalt, die Berufung, Vertagung, Schließung und Auflösung der Landessynoden,
die Besetzung der kirchenregimentlichen Behörden, in kleineren Kirchen auch der Pfarrer, die
oberste Instanz in Beschwerdesachen und die Anordnung von Generalbisitationen der ganzen
Kirche. Doch ist in den meisten und wichtigsten Landeskirchen der Landesherr auch bei Aus-
übung des resewierten Teils der Kirchengewalt beschränkt und an die Zustimmung von Landes-
oder (für Provinzialkirchengesetze) von Provinzialsynoden bei der Gesetzgebung wie auch bei
anderen Regierungsakten gebunden.
Friedberg, VR. FK9—13; Schoen, Pr. Kr. 1 ## 17, 18; v. Scheurl, Die Aus-
übungsweise des landesherrlichen Kirchenregiments in s. S. kr. A.; Mejer, Die Grundlagen
des lutherischen Kirchenregiments, 1864, Das Rechtsleben der deutschen evangelischen Landes-
kirchen, 1889; Rieker, Die evangelische Kirche Württembergs in ihrem Verhältnis zum Staat,
1887, Sinn und Bedeutung des landesherrlichen Kirchenregiments, 1902, Das landesherrliche
Kirchenregiment in Bayern, D. Z. f. Kr. XXIII, 1913; Höfling, Grundsätze evangelisch-
lutherischer Kirchenverfassung „ 1853; Steinmeyer, Der Begriff des Kirchenregiments,
1879; Kawerau, üÜber Berechtigung und Bedeutung des landesherrlichen Kirchenregiments,
1887; Zorn, Das landesherrliche Kirchenregiment nach der Ansicht der Reformatoren und im
Hobie auf den modernen Staat, Z. f. Kr. XII, 1874; Schoen, Das Landeskirchentum in
reußen (auch im Verwaltungsarchiv), 1898.
8§ 111. Die kirchenregimentlichen Behörden.
Insbesondere aber hat der Landesherr den nicht vorbehaltenen Teil seiner Gewalt (iura
vicaria) nur an evangelische Kirchenbehörden zur Ausübung zu übertragen, deren Bestand teils
staats= und kirchengesetzlich (Preußen, Bayem, Sachsen, Württemberg, Braunschweig, Anhalt,
In Württemberg ist seit 1898, bezw. 1912, für den Fall der Zugehörigkeit des Landesherrn
zu einer anderen als der evangelischen Konfession die Ausübung des Kirchenregiments durch eine
evangelische Kirchenregierung vorgesehen (zwei evangelische Staatsminister oder Chefs der Ver-
waltungsdepartements, der Präsident des Konsistoriums, der Präsident der Landessynode und
der dienstälteste Generalsuperintendent unter dem evangelischen Staatsminister oder Chef des
Kirchendepartements, eventuell aber unter einem gewählten Mitglied als Vorstand). Ein An-